Zuwanderung  trägt zum Wohlstand bei

Zugewanderte tragen viel zu Basels Wohlstand bei. Aber ihre Stimme fehlt in der Stadtentwicklung. 

Vor den Wahlen im Herbst schüren die rechten Parteien wieder die Angst vor der Überfremdung und machen die Zuwanderung verantwortlich für viele Probleme in der Stadt. Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt: Das ist nicht gerechtfertigt.

In den nächsten Jahren sollen in Basel-Stadt weiterer Wohnraum für über 20‘000 Menschen geschaffen werden. Ein kurzer Blick zurück lohnt sich: Nach dem Boom der 60er Jahre zählte Basel-Stadt Anfang 70er Jahre 236‘000 Einwohner:innen. Mit der Deindustrialisierung – sprich Weggang der Industriebetriebe sank – die Einwohnerzahl bis ins Jahr 2002 auf 188‘000. Danach stieg sie wieder bis auf 204‘000 Einwohner:innen Ende 2022. 

Weshalb mehr Wohnraum …    

Weshalb braucht es mehr Wohnraum, wenn vor 50 Jahren die Stadt über 30‘000 Menschen mehr als heute zählte und auch nicht mehr Wohnraum zur Verfügung hatte? Es ist der Wohlstand, der heute ganz andere Ansprüche erzeugt, wie Single- und Paarhaushalte in grossen Wohnungen, ältere Menschen, die in ihren grossen Familienwohnungen bleiben, auch wenn die Jungen ausgezogen sind. 

… und mehr Stadtbewohner:innen?

Weshalb nimmt die Zahl der Bewohner:innen zu? Es sind nicht die Geburten, welche den Zuwachs erklären. Es sind Zugewanderte, die hier Arbeit finden. 

Zuwanderer? Gibt es da nicht wieder eine Überfremdungsinitiative, die den Hass auf alles  Fremde schürt und die Zuwanderung stoppen will?  So sind wir mitten in der Ausländerpolitik. Ein nüchterner Blick auf die Zahlen zeigt folgendes Bild:  

  • 35‘000 Menschen mit Grenzgängerausweis aus EU Ländern arbeiten hier in Basel jeden Tag und kehren abends über die Grenze zurück. 
  • 44‘000 Ausländer mit Jahresaufenthaltsbewilligung B  und Niederlassungsbewilligung C leben seit Jahren hier, arbeiten und zahlen Steuern. 
  • Geschätzte 5‘000 undokumentierte Arbeitskräfte, sog. Sans-Papiers arbeiten  vor allem in der Pflege,  Reinigung und im Haushalt.  
  • Meldepflichtige,  aus EU/EFTA entsandte Arbeitskräfte arbeiten hier bis zu 90 Erwerbstagen pro Jahr. Dies entspricht ungefähr 2‘000 Vollzeitstellen. Dies können Selbständigerwerbende sein oder Angestellte von Firmen aus der EU, die hier Aufträge ausführen. 
  • 1‘900 Kurzaufenthalter aus der EU/EFTA können in Basel mit Bewilligung L bis zu 12 Monaten einer Arbeit nachgehen. 
  • 1‘700 aus der Ukraine Geflüchtete haben eine S-Bewilligung. Erst ein Teil fand bisher Arbeit.

Dazu kommen ca. 300 vorläufig aufgenommene, geflüchtete Menschen, welche mit F-Bewilligung hier arbeiten können, ein paar Dutzend anerkannte Flüchtlinge sowie abgewiesene Flüchtlinge mit unterschiedlichen Staus.  

Von den 188‘000 im Kanton  beschäftigten Menschen sind knapp die Hälfte zugewandert. Von diesen sind wiederum wohnen nur knapp die Hälfte im Kanton. Nur dank der Arbeit alle Ausländer kann der Wohlstand gehalten und vermehrt werden. Wer baut und repariert sonst all die Wohnungen und Strassen; wer putzt und wäscht und pflegt; wer bringt die Pakete nach Hause?

Verunsicherung als Ziel

Wenn nun die SVP und ein Teil der FDP im Wahljahr wiederum die Keule der Überfremdung schwingt und verlangt aus den bilateralen Verträgen auszusteigen, dann zielt sie  auf die damit einhergehende Verunsicherung und Endsolidarisierungen am Arbeitsplatz und im Quartier und weniger auf den geforderten Inhalt der Initiative. Mit populistischer Schwarzmalerei sollen Wahlen  gewonnen werden und gleichzeitig kann so der Druck am Arbeitsplatz und im Quartier erhöht und Lebensbedingungen für weite Teile der Bevölkerung verschlechtert werden. 

Diese Haltung und nicht die Zuwanderung zerstört die gesellschaftliche Kohäsion. Wenn wir von Stadtentwicklung sprechen, dann sollten wir viel mehr über die Entwicklung der Mitwirkung aller gesellschaftlichen Gruppen nachdenken und handeln. Wie wäre es mit einem partizipativen Budget? Jeder Stadtteil  erhält ein Budget zu Fragen, über welche der Stadtteil bestimmen kann. Dies würde ein Stadtteilrat bedingen, welcher alle Bewohnerinnen repräsentieren müsste. Eine Art Demokratie von unten, wie sie Solon in Athen vor 2600 Jahren eingeführt hat.

Hans-Georg Heimann