Grosser Beratungsbedarf im KLŸCK bei Fragen zum Aufenthaltstitel, Arbeitssuche und Diskriminierung. Drei Frauen erzählen davon im Interview.
Fritz: Wir reden heute über etwas, was euch im Alltag sehr beschäftigt: Die Schwierigkeiten, die der Aufenthaltsstatus F für euch bedeutet …
Fatma: Ja, genau. Wir können nicht aus der Schweiz gehen. Das ist wie ein Gefängnis. Unsere Kinder würden auch gerne einmal Ferien im Ausland machen, so wie andere. Aber das geht nicht. Viele Dinge sind teuer hier, wir haben nur wenig Geld und dürfen nicht in Deutschland einkaufen gehen. Ich muss Freundinnen darum bitten, aber ich schäme mich dafür.
Nergez: Wir haben Freunde und Familie in Deutschland und Frankreich, doch wir können sie nicht besuchen. Es beschämt mich, hier wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden. Das ist ähnlich wie in Syrien. Warum haben wir nicht alle die gleiche Rechte?
Das sind konkrete Auswirkungen. Was macht das mit euren Gefühlen?
Fatma: Wir fühlen uns minderwertig. Wir dachten, in Europa haben alle die gleiche Rechte. Doch wir fühlen uns auch hier unterdrückt, obwohl wir seit zehn Jahren hier wohnen und unsere Kinder hier teilweise geboren wurden und zur Schule gehen.
Kawthar: Wir haben nach zwölf Jahren eine B-Bewilligung bekommen. Das war sehr schwierig, weil man arbeiten muss, aber mit dem F nur schwer an Arbeit kommt. Wir haben viel darum gekämpft.
Nergez: Es macht Stress, Depressionen, wir machen uns viele Gedanken und Sorgen. Auch mein Mann wurde krank davon.
Wie ist es auf dem Arbeitsmarkt? Gibt es da Beispiele?
Kawthar: Mit der F-Bewilligung ist es sehr schwierig. Die Arbeitgeber denken wohl immer, dass wir nicht hierbleiben und geben uns deshalb keine Stelle. Sie denken, das sei ein Risiko. Die Ausweise sind nur ein Jahr gültig, das bringt Druck und Unsicherheit.
Fatma: Oft bekommen wir gar keine Antworten auf Bewerbungen. Oder die Arbeitgeber denken, es ist viel Aufwand, Personen mit F-Bewilligung anzustellen. Dabei ist es nur ein Formular von einer Seite.
Kawthar: Mein Bruder lebt im Kanton Aargau. Er ist noch jung und möchte etwas lernen und arbeiten. Aber er hat den Status N – er darf nicht. Das macht ihm enorme psychische Probleme.
Die F-Bewilligung ist also ein Hindernis bei der Arbeitssuche. Gibt es noch andere Schwierigkeiten?
Kawthar: Ja, das Kopftuch ist eine grosse Hürde bei der Arbeitssuche.
Fatma: Ich wollte einen Detailhandelskurs machen, doch ich wurde als Kopftuchträgerin ohne Begründung abgelehnt. Ich bin doch einfach ein Mensch, der arbeiten möchte! In unserem Herkunftsland leben viele Christen, wir haben sie stets respektiert.
Nergez: Manchmal wird verlangt, dass wir Perücken tragen. Diese Orte akzeptieren auch keine Kippas oder christlichen Symbole – das ist auch für andere gläubige Menschen schwierig.
Fatma: Bei einem Bewerbungsgespräch in der Kinderbetreuung wurde ich auch wegen dem Kopftuch abgelehnt. Wovor haben die Leute Angst? Der Glauben ist doch etwas Privates.
Kawthar: Für uns ist nur das Kopftuch wichtig. Es ist Gewohnheit und Sicherheit. Ohne Tuch würden wir uns nackt fühlen.
Welche Vision habt ihr für das Leben hier?
Kawthar: Ich bin jetzt auf der Suche nach einer Ausbildung. Ich möchte etwas lernen und arbeiten. Wegen dem Krieg in Syrien konnte ich keinen Beruf erlernen. Zum Glück konnte ich in die Schweiz kommen, eine Ausbildung ist meine grosse Hoffnung.
Nergez: Ich habe Rechtsanwältin studiert in meinem Land. Das nützt mir hier nichts, deshalb würde ich auch in der Betreuung oder in der Gastronomie arbeiten. Ich möchte ein produktiver Mensch sein und der Schweiz etwas von ihrer Gnade zurückgeben, denn sie ist unsere zweite Mutter.
Kawthar: Wir wünschen uns Sicherheit, eine B-Bewilligung würde vielen Menschen helfen.
Nergez: Ich möchte Gleichheit vor dem Recht. Und meine Verwandten besuchen können in Europa. Oder wenn unsere Eltern sterben, möchten wir sie beerdigen können. Deshalb wäre Reisefreiheit so wichtig.
Fatma: Ich möchte wegkommen von der Sozialhilfe. So geht es den meisten hier. Doch eine feste Arbeitsstelle zu finden ist so schwierig, obwohl ich alles machen würde ausser putzen – ich habe eine Allergie bei Reinigungsmitteln. Detailhandel würde mir gefallen.
Kewthar: Gerne wünsche ich mir mehr Anerkennung und Akzeptanz. Wir müssen immer besonders viel leisten und uns beweisen, damit wir nicht kritisiert werden.
Interview: Fritz Roesli
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