In der Oper ist die Vielsprachigkeit Alltag. Wie gehen Sänger:innen damit um? Meret Kündig ist Dramaturgin an der Oper des Theater Basel. Dragica Marcius sprach mit ihr.
mozaik Frau Kündig, würden Sie unseren Lesern etwas über den Beruf der Dramaturgin erzählen?
Meret Kündig Dramaturg:innen haben sehr vielfältige Aufgaben. Sie arbeiten in der Regel eng mit den künstlerischen Teams bzw. der Regie zusammen: bei der Vorbereitung und Entwicklung des Konzepts, Recherchen etc. Bei den Proben haben sie eine beratende Funktion, geben Feedback. Als Teil des Hauses sind sie aber auch bei der Programmgestaltung beteiligt, bei Spielplan- und Besetzungsfragen. Und schliesslich bilden sie Brücken zwischen den Stücken und dem Publikum, in Form von Programmheften, Einführungen, Nachgesprächen. Sie stellen also Verbindungen zwischen verschiedenen Bereichen her, kommunizieren und vermitteln.
Was macht Ihnen an Ihrem Beruf am Theater Basel am meisten Freude?
Gerade diese Vielseitigkeit gefällt mir. Ich komme mit sehr vielen unterschiedlichen Menschen zusammen und tauche bei jedem Projekt in einen neuen Kosmos ein. Jedes Stück und jede menschliche und künstlerische Begegnung bringt wieder ganz andere Themen und Fragestellungen mit sich, mit denen man sich vielleicht noch nie vorher beschäftigt hat. Ich finde es auch spannend, darüber nachzudenken, wie man Theater oder Oper für die Zukunft weiterdenken und öffnen kann. Wie kann Theater einer diverser werdenden Gesellschaft zugänglicher gemacht werden? Welche Geschichten wollen wir erzählen, für wen und wie?
Die Dramaturgin hat es oft mit vielen Menschen aus anderen Kulturkreisen zu tun. Mit welchen Menschen aus welchen Ländern arbeiten Sie?
Als Operndramaturgin arbeite ich tatsächlich mit Künstler:innen aus der ganzen Welt. Die Opernszene ist sehr international, da kommen Dirigent:innen, Sänger:innen und Regieteams aus allen Kontinenten zusammen. Die sechs aktuellen Mitglieder unseres Opernstudios z. B. kommen aus der Ukraine, Polen, Südafrika, England, den USA und Südkorea.
Fremdsprachen und Gesang, wie geht das zusammen?
Musiker:innen sind es gewohnt, in internationaler Besetzung zu arbeiten. Die Proben sind oft auf Englisch, da hat man eine gewisse Basis. Aber auch die Musik selbst ist eine gemeinsame Sprache, die alle verstehen und die ihre ganz spezifischen Codes hat. Darin können sich (zumindest in der westlichen Musik geschulte) Musiker:innen problemlos direkt verständigen, auch über die Sprachgrenzen hinweg. Gerade arbeite ich übrigens an einem Familienstück, das ganz ohne Sprache auskommt: die Schauspieler:innen tragen Masken und erzählen die Geschichte nur über ihre Bewegung, die Sänger:innen singen Silben und Vokale – eine Fantasiesprache.
Ermöglicht der Gesang Sänger:innen eher das Erlernen einer Fremdsprache?
In der Oper spielen wir Stücke aus verschiedenen Sprachräumen. Das Erarbeiten von Partien auf Deutsch, Italienisch, Französisch, Russisch, Tschechisch usw. gehört deshalb zu der täglichen Arbeit von Opernsänger:innen. Sie haben also viel Übung im Umgang mit Fremdsprachen. Zudem glaube ich, dass Musikalität den Zugang zu Sprachen erleichtert. Die gesprochene Sprache hat ja bestimmte Rhythmen, Pausen, Tonhöhen, Tempi, genau wie die Musik. Es kommt auch oft vor, dass Sänger:innen ganze Opernpartien auswendig lernen und praktisch akzentfrei singen können, ohne dass sie die jeweilige Sprache sprechen könnten. Sie lernen die Partien über das Gehör: die Sprache wird, indem sie gesungen wird, zu einem Teil der Musik. Viele Komponist:innen arbeiten auch mit dem Klang der Sprache, vor allem in der neueren Musik werden die klanglichen Eigenschaften von Sprache zu einem künstlerischen Ausdrucksmittel. Musik und Sprache sind verwandt – beide sind Kommunikationsmittel, beide können uns verbinden und emotional berühren.