Die Wohngenossenschaft Cohabitat setzt sich seit 50 Jahren für attraktives und zahlbares Wohnen in der Stadt ein.
Das «goldene Jubiläum» von Cohabitat erinnert uns an die Zeit der Siebzigerjahre, in denen vielseitige gesellschaftliche und politischer Umbrüche stattfanden. Sie bildeten den Nährboden für die Gründung dieser kleinen, aber wirkungsvollen Genossenschaft: Die Generation der «68er» hatte Bewegung in die Stadt gebracht. Ökologie («Grenzen des Wachstums», 1972), Widerstand gegen AKW und Umweltschutz kamen aufs Tapet. Städtebaulich regte sich Opposition gegen die «autogerechte Stadt», die zum Schrumpfen der Stadtbevölkerung geführt hatte. Weil immer mehr Menschen sich ein Haus auf dem Lande, mit «Grünen Witwen», leisteten. Denn dank der modernen Strassen konnte man bequem mit dem Auto zwischen Wohn- und städtischem Arbeitsort pendeln. Die alte Stadt wurde Opfer von Abrissbirne und Spekulation.
Attraktives Wohnen in der Stadt!
Eine Gruppe von jungen Architekten und Architektinnen aber nahm sich vor, das Wohnen in der Stadt wieder attraktiver zu machen. Dies durchaus auch im Sinne der Regierung, welche verlorene Steuerzahler zurückholen wollte. Ziel der Bewegung war, die durch Abbruch bedrohten Häuser «sanft» zu renovieren. Dies anstelle von «nicht finanzierbaren perfektionistischen Restaurationen». Und zwar sollten die HausbewohnerInnen selber die Sanierung vornehmen: «Es erübrigt sich, auszumalen, wie mit Fantasie, Sachverstand und handwerklichem Geschick die günstigsten Wohnungen geschaffen werden könnten», schreibt Ruedi Bachmann in einem Flugblatt vom Mai 1974. Dazu müssten freilich die Selber-Sanierer das bewohnte Haus kaufen! Was nicht jedermann möglich ist. Aber eine Genossenschaft kann das leisten: «Was einem Einzelnen nicht möglich ist, kann durch gemeinsame Selbsthilfe gelingen!»
Mehrere Beweggründe führten zur Gründung von Cohabitat:
- Der Wille zu einer wohnlicheren Stadt, als Gegenstück zum Auswandern ins Grüne.
- Häuser vor dem Abbruch retten und das gewohnte Stadtbild bewahren.
- Das Umsetzen der Idee von kostengünstiger «sanfter Renovation».
- Geldanlage: Der Erwerb der Häuser kostet Geld, das gut angelegt ist, nämlich mit «Kaufkraftsicherung». Der damals hohen Inflation wird ein Schnippchen geschlagen.
- Identifikation der Wohnenden mit dem Haus, der Umgebung, der Stadt, dank Mitbesitzen und Mitgestalten.
- Gemeinschaftliches Wohnen, auch mit Familien.
Kurze Geschichte im Zeitraffer
So gründete also die auf 1972 zurückgehende Architekten-Genossenschaft Archico zusammen mit andern Interessierten am 16. Mai 1974 die Sanierungs- und Wohngenossenschaft Cohabitat . Es waren 35 Mitgliedschaften (26 Männer, 21 Frauen, 23 Kinder). Der Kauf der ersten Liegenschaften war bereits zugesichert, und die Sanierungen wurden begonnen: Bärenfelserstrasse 10 und Davidsbodenstrasse 25 (Da 25). Der Erwerb des Eckhauses Bä 30 erfolgte 1976. Urs und Christine Borer übernahmen von den Vorgängern den Milchladen und die Milchtour und führten beides weiter! Erst 2017 kam als weiterer Liegenschaft die Kraftstrasse 11 dazu. Und 2022 konnte der Neubau «Döschwo» an der Lothringerstrasse 166 im Lysbüchel bezogen werden. Damit hat die bisher auf Sanierung von Altbauten konzentrierte Genossenschaft sich neu positioniert.
Ausstrahlung der Cohabitat
Die neue und neuartige Genossenschaft wirkte bewusst auch auf die Nachbarschaft ein, um auch das Umfeld wohnlicher zu gestalten: Der Eckladen Bä 30 unterstützte etwa die Wohnstrassenfeste, welche seit 1978 mit grossem Engagement auch von «Cohabitäter:innen» durchgeführt wurden. Rund um die Da 25 entstand ebenfalls ein jährliches Strassenfest. Ferner beherbergte das «Davidseck» im Parterre nacheinander das «Frauenzimmer», den Quartiertreff (jetzt LoLa), das Männerbüro. Die Verwaltung, vor allem deren Präsidenten – Ruedi Bachmann bis 2018, seither Ivo Balmer – mischten und mischen immer wieder aktiv mit in der Quartier- und Stadtpolitik.
Text: Benno Gassmann