Das Männerbüro im St. Johann berät Männer aus der Region Basel bei erlebter und ausgeübter Gewalt – und auch zu weiteren Themen, die Männer aktuell beschäftigen.
Darf ich heimlich den Chatverlauf meiner Frau lesen? Muss sie mir sagen, was sie in ihrer Freizeit macht? Ist es okay, wenn wir uns manchmal anschreien? Gewalt fängt selten mit einer körperlichen Tätlichkeit an. Und doch ist es oft der Moment, in dem Beteiligte erschrecken und sich Rat suchen. Im Männerbüro Region Basel melden sich die Männer in aller Regel selbst an. Sie sind irritiert, geschockt oder verunsichert.
In einer Beratung versucht unser Beratungsteam zunächst, die Situation und das Anliegen zu erfassen. Mit Empathie und Anteilnahme versuchen wir, Vertrauen aufzubauen und die Männer kennenzulernen. Die Scham, über eigene Gewalterfahrungen zu sprechen, ist oft sehr gross.
Die Täterberatung hat stets mehrere Dimensionen: Einerseits geht es darum, die Männer für ihre Handlungen in Verantwortung zu bringen. Ganz egal, was das Gegenüber tut: Ich habe die Wahl über meine Reaktion. Hier geht es darum, wieder eine Souveränität über das eigene Handeln zu erlangen. Das kann stärkend und aufbauend wirken. Ausserdem geht es darum, Strategien zu erarbeiten, wie Männer sich aus brenzligen Situationen ausklinken können – um sich selbst und andere zu schützen. Auch das Bewusstwerden darüber, was eigentlich schon übergriffig ist, oder was psychische Gewalt beinhaltet, gehört auch zu einer Beratung.
Walk in!
Seit 2018 ist das Männerbüro der Region Basel im St. Johann an der Ecke Davidsboden / Davidsrain beheimatet (Davidsbodenstrasse 25). Ein spontanes Walk-In ist jeden Vormittag möglich. Wir arbeiten vertraulich und haben keine Meldepflichten, und wenn, dann nur in Rücksprache mit den Ratsuchenden. Beratungsgespräche können telefonisch vereinbart werden unter 061 691 02 02. Mehr Infos zum Männerbüro finden Sie hier: https://mbrb.ch.
Eine weitere Dimension ist eine gesellschaftliche Einordnung. 75 Prozent der straffälligen Personen in Gewaltdelikten sind männlich. Dies hat strukturelle Gründe: Die Sozialisation in einem patriarchalen System fördert und bedingt männliche Gewalt. Dies soll keine Entschuldigung sein für Gewalttaten, aber aufzeigen, woran wir als Gesellschaft arbeiten müssen.
Aktuell lanciert die Opferhilfe die Kampagne: «Gewalt kennt kein Geschlecht». Grund dafür ist eine weitere statistische Offenbarung: 56 Prozent der Gewaltopfer sind nämlich männlich, wobei unter den hilfesuchenden Personen auf der Opferhilfe nur ein Drittel männlich ist. Das heisst, wir müssen Männer nicht nur als Täter begreifen, sondern auch als Opfer von Gewalt. Dabei ist natürlich nicht nur häusliche Gewalt gemeint, sondern beispielsweise auch Gewalt im öffentlichen Raum. Auch hier ist die Scham gross, und wir dürfen als Männer lernen: Hilfe annehmen ist wichtig, wir dürfen uns verletzlich zeigen, wir müssen eine Gewalterfahrung nicht einfach wegstecken.
Der Themenfächer im Männerbüro ist aber weitaus breiter: Einige Themen sind mit Gewalt verlinkt, fast alle haben in einer Form mit Männlichkeitsparadigmen zu tun. Da geht es um gesundheitliche Themen, Sexualität, Druck und Profilierung im Berufsalltag, erlebte Traumata, Vaterschaft und Erziehung, Beziehungsprobleme, Trennungen, Obhut- und Sorgerechtsfragen. Oft suchen die Männer Hilfe erst relativ spät, dann, wenn ihnen das Wasser schon bis zum Halse steht. Dabei wären frühzeitige Impulse sehr wertvoll, um dramatische Zerwürfnisse zu vermeiden. Deshalb unser Appell an die Männer: Holt euch die Hilfe, die euch zusteht. Nicht nur ihr selbst profitiert davon, sondern auch eure Liebsten, eure Kinder und damit indirekt die gesamte Gesellschaft.
Für das Männerbüro
Fritz Rösli