Das rätselhafte Weihnachtskind 

Fatschenkind aus dem Tiroler Volkskunstmuseum Innsbruck. (Foto Nelly Lüdi)

Die Geschichte um das sagenumwobene Wesen, das am Heiligabend die Gaben unter den Weihnachtsbaum legt. 

In unserer Region erzählt man noch immer den Kleinkindern, das Weihnachtskind bringe die Geschenke. Doch unter dieser himmlischen Gestalt ist kaum das Jesuskind in der Krippe zu verstehen. Wie sollte der an Weihnachten geborene Säugling auch Geschenke transportieren können? Da hat sich der Volksglaube früher mit dem Jesusknaben beholfen.

Luther war der Begründer des Weihnachts- oder Christkinds

Eine solche Darstellung gibt es beispielsweise aus dem Jahr 1475: ein Jesuskind im Vorschulalter mit Tragkorb und Wanderstab, das an Neujahr zur Bescherung unterwegs ist. Denn der 24. Dezember entwickelte sich erst im Lauf der Zeit zum hauptsächlichen Geschenktermin – ursprünglich war das der Tag des Heiligen Nikolaus und in südlichen Ländern der Dreikönigstag. 

Nach der Reformation hat man mit der Abschaffung der Heiligenverehrung versucht, den katholischen Heiligen als Überbringer der Geschenke zu verdrängen. Und deshalb die Weihnachtsbescherung gefördert, bei der nach Luther der heilige Christ oder das Christkind zum Gabenspender erklärt wurde.    

Doch die ursprünglichen Traditionen lebten weiterhin fort. Schon mit St. Nikolaus sind alte Lichter-, Lärm- und Heischebräuche christlich überdeckt worden. Und diese alten Dämonen holen ihn noch heute ein: Fast überall steht der Heilige in Beziehung zu unheimlichen Figuren. Schmutzli nennt sich der Begleiter mit dem schwarzen Kapuzenmantel in Basel, Ruprecht, Rupelz und viele andere Namen hat er in Deutschland; Hans Trapp oder Père fouettard heisst er im Elsass. Und dieser zeigte sich früher auch zusammen mit dem «Christkindel». 

Eine Weile kam im 19. Jahrhundert die ganze Abfolge der Brauchgestalten im oberen Baselbiet zum Vorschein, wenn der unheimliche, schwarze «Nüünichlingler» am Heiligen Abend mit rasselnder Kette in die Häuser eindrang und in seinem Gefolge St. Nikolaus und das «Wienechtchindli» zusammen mitbrachte. 

Fatschenkinder aus Nonnenklöstern

Unzählige, besonders liebliche Weihnachtskinder sind in Frauenklöstern geschaffen worden. Sie sind aus Wachs geformt, aus Holz geschnitzt oder aus Gips geformt, manchmal auch einfach aus Papier geschnitten. Da und dort sind es auch lebensgrosse Wickelkinder, sogenannte Fatschenkinder, die aus Nonnenhand hervorgingen. Sie erinnern an die Jesuskind-Verehrung, wie sie sich vor allem bei den Dominikanerinnen und Zisterzienserinnen im 13. Jahrhundert zu entwickeln begann. Damals war es üblich, den jungen Frauen beim Eintritt ins Kloster so ein Christkind als Seelentröster zu geben, das sie in ihren einsamen Zellen wohl in einer Mischung von Andacht und Mutterglück in den Armen halten konnten.

Im 16. Jahrhundert wurde das «Kindleinwiegen» zur Weihnachtszeit zum weitverbreiteten Brauch in Kirchen, aber auch in Privathäusern. 

In Basel wird noch 1553 – zwei Jahrzehnte nach der Reformation – die Weihnachtsfeier als Tanz der Kinder um das in der Krippe liegende Jesuskind geschildert. Geblieben sind bis heute die Weihnachtskrippen mit dem Jesuskind, privat und in den katholischen Kirchen.

Grundsätzlich geht die Verehrung des Jesuskinds auf die Anfänge des Christentums zurück. Lange bevor das Fest der Geburt Christi in der christlichen Kirche gefeiert wurde, wallfahrtete man zur Geburtshöhle in Jerusalem. Hier erbaute die Kaiserin Helena im Jahr 335 eine Basilika, deren Krippe später reich mit Gold und Silber ausgestattet wurde. Die allmählich erweiterte Darstellung der Weihnachtskrippe hat sich aus diesen Anfängen entwickelt. 

Edith Schweizer-Völker

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