Das Departement von Regierungsrat Kaspar Sutter reagiert gereizt auf eine kritische Studie über den Umgang mit Benzidin-Altlasten im Klybeck und Rosental.
Im Klybeck, Rosental und Ciba-Standort Monthey (VS) wurden Tausende von Tonnen Benzidin und benzidinhaltige Produkte hergestellt und verarbeitet. Es gab lecke Abwasserrohre und Havarien, bei denen Benzidin im Boden versickerte. Zahlreiche Arbeiter starben an Blasenkrebs. Im Boden befinden sich auch Benzidinfarbstoffe, durch deren Abbau weiterhin Benzidin entsteht.
Am 6. März 2023 veröffentlichten die «Ärztinnen und Ärzten für Umweltschutz» (Aefu) eine umfangreiche und detaillierte Studie zur Frage, wie die Behörden der Kantone Wallis, Basel-Landschaft und Basel-Stadt mit diesen Benzidin-Altlasten umgehen. Fazit: Der Kanton Wallis erkennt die Tragweite einer Verschmutzung durch Benzidin und andere gefährliche aromatische Amine schon 2003. Und geht bei der Erkundung und Sanierung der (Benzidin-)Altlasten auf dem Chemiegelände in Monthey systematisch und logisch nachvollziehbar vor. heisst es. Basel-Stadt dagegen liegt «am Gegenpol der Kompetenzskala». Im Klybeck und Rosental falle er durch ein unkoordiniertes Vorgehen und lückenhafte Standortuntersuchungen auf. Benzidin gehe teils sogar jahrelang «vergessen». Analysemethoden seien oft nicht auf dem Stand der Technik, auch für Benzidin.
«Geradezu auffällig bei der Altlasterkundung im Klybeck ist das unsystematische Vorgehen von Ciba SC (heute BASF), Novartis und des Amtes für Umwelt und Energie BS (AUE). Zurück bleibt der Eindruck, die baselstädtischen Behörden hätten dies so mitgespielt, um das Thema Altlasten im Klybeck möglichst reibungs- und konfliktlos abzuhacken», heisst es. Fürs Klybeckareal stehe deshalb an, die Untersuchungen bezüglich Benzidin und weiteren Hochrisikosubstanzen nachzuholen. Dies, um die vermutlich vorhandenen Verschmutzungsherde so systematisch zu suchen, wie es die Altlastenverordnung vorschreibe. Auch das Rosental sollte laut Studie systematisch auf Benzidin und weitere Risikosubstanzen untersucht werden, bevor Arbeitsplätze und Wohnungen gebaut würden.
Wer im Glaushaus sitzt …
Das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU), zu dem das AUE gehört, reagierte scharf: Die Vorwürfe seien haltlos, nicht neu und auch nicht korrekt. Die Reaktion macht einen wenig souveränen Eindruck. Die Behörden behaupten weiterhin, die ehemaligen Produktionsstandorte seien gut untersucht und der Schutz der Anwohnerschaft und der Bauarbeiter sei gewährleistet. Es wird nicht präzisiert, was denn an der Studie falsch und haltlos sei. Falsch ist hingegen der Vorwurf, die Studie vergleiche die Areale Klybeck und Rosental mit Chemiemülldeponien wie z. B. in Bonfol oder im Wallis. Tatsächlich verglichen werden die Vorgehensweisen bei den Produktionsstandorten Monthey, Klybeck und Rosental. Schon 2019 teilte das Amt fälschlicherweise mit: «In den historischen und technischen Untersuchungen finden sich keine Anzeichen dafür, das es auf den Werkarealen im Klybeck je zu Havarien mit Benzidin gekommen ist.»
Transparenz in die Sanierung bringen
Letztlich geht es um hochgiftige, krebserregende Substanzen auf Geländen, wo gebaut wird und wo in Zukunft gewohnt und gearbeitet werden soll. Die Umnutzung geht nur, wenn
- alle Altlasten fachgerecht und vollständig beseitigt werden,
- dabei der Schutz der Anwohner:innen gewährleistet ist,
- die neuen Quartiere sicher zum Leben und Arbeiten ist.
Die Sanierungsarbeiten sollen umfassend, einmalig und definitiv sein sowie alle Sicherheits- und Umweltschutzbestimmungen erfüllen. Zweifel und Ängste fördern den Widerstand gegen die Umnutzung. Kostspielige und zeitraubende juristische und politische Auseinandersetzungen könnten die Folge sein. Wie kann dem begegnet werden? Beispiele wie die Sondermülldeponie Bonfol und die Quecksilberverschmutzung der Lonza im Wallis zeigen, dass umfassende Transparenz und die Einrichtung einer öffentlichen Begleitgruppe heute übliche Vorgehen bei derartigen Grossprojekten sind.
Eine Arbeitsgruppe von Zukunft.Klybeck hat dem WSU-Vorsteher Kaspar Sutter im Sommer 2021 ein Konzept für ein solches Begleitgremium (PDF) unterbreitet. «Mir ist ein transparentes Vorgehen der Behörden wichtig», antwortete Sutter der Arbeitsgruppe. So werde ein vom Kanton erstelltes Nachrichten- und Auskunftsportal die Bevölkerung umfassend und transparent über die geplanten und jeweils stattfindenden Bauphasen, mögliche Belastungen und Sanierungstätigkeiten informieren. Auch sämtliche Untersuchungsberichte und Messwerte würden auf diesem Portal publiziert. Zusätzlich stellte Sutter jährliche Informationstreffen mit dem zuständigen Amt in Aussicht.
Passiert ist bisher nichts dergleichen.
Verantwortung auf Käufer abwälzen
Möglichst die gesamte Verantwortung für die Altlasten im Klybeck auf die Käufer des Areals abzuwälzen: Das sollen Novartis und die Ciba SA in einem bisher nicht öffentlich bekannten Vertrag vereinbart haben.
Ende 1996 hat die Novartis AG die Ciba Spezialitätenchemie (Ciba SC) verselbständigt. In diesem Zusammenhang haben die beiden Unternehmen Anfang 1997 eine «Vereinbarung über die Zuweisung der Verantwortung für Umweltschäden (ausserhalb US)» unterzeichnet. So jedenfalls steht es im Bericht der «Ärzte und Ärztinnen für Umweltschutz» über den unterschiedlichen Umgang mit Benzidin der Kantone VS, BL und BS. Der «Altlastenvertrag» regle weltweit (mit Ausnahme der USA), wann Novartis und wann Ciba für Umweltschäden haftet.
Gemäss AefU regelt der Vertrag auch das Vorgehen beim Verkauf von Grundstücken an den Standorten Klybeck und Monthey. Fürs Klybeck umfasse dies ein gegenseitiges Vorkaufsrech, aber auch ein Einspracherecht gegen Käufer und Verwendungszwecke. Zudem verpflichteten sich beide Parteien, «dem Käufer möglichst die gesamte Verantwortung für alle drohenden und eingetretenen Schäden und Altlasten und alle Massnahmen zu überbinden.» Falls Behörden oder Erwerber Schadenersatzansprüche stellen oder Massnahmen verlangen, dann haften Novartis und Ciba SC gegenseitig für alle zusätzlichen Kosten, die ihnen infolge des Grundstücksverkaufs entstehen.
mozaik fragte bei Novartis nach, ob die Angaben in der Studie zutreffen, was der Zweck des Vertrages gewesen sei und ob er beim Verkauf des Klybeckareals angewendet worden sei. «Novartis äussert sich grundsätzlich nicht zu den Inhalten von Verträgen», teilte das Unternehmen mit und fügte bei: «Als frühere Grundeigentümerin haben wir jederzeit verantwortlich gehandelt, mit den Behörden kooperiert sowie unseren Geschäftspartnern, insbesondere der neuen Eigentümerin des Klybeck-Areals detaillierte Daten und Informationen geliefert, damit sie zuverlässig abschätzen kann, was bezogen auf die Belastungen des ehemaligen Produktionsareals im Rahmen der Arealentwicklung zu erwarten ist.»
Novartis und BASF (die die Ciba SC übernommen hatte) gaben den Verkauf ihrer Arealteile im Mai bzw. Juli 2019 bekannt. Sie nahmen dafür 1,2 Milliarden Franken ein. Wie Swiss Life später bestätigte, wurde der Boden mit allen Risiken von der BASF gekauft. Das gleiche dürfte für Rhystadt und den von ihr gekauften Novartis-Boden gelten. Beim Kauf haben sie sich nicht nur auf die Angaben der beiden Konzerne verlassen, sondern auch auf jene des Kantons Basel-Stadt bzw. des Amtes für Umwelt und Energie (AUE).
Matthias Brüllmann