Chemiemüll beim Ackermätteli: Scharfe Kritik an Behörden

Der Altrheinweg mit dem Ackermätteli (Foto: Matthias Brüllmann)

Die Vereinigung «Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz» (AefU) fordert die umfassende und systematische Untersuchung des Ackermätteli und weiterer Strassen und Plätze im Klybeck auf Chemiemüll. Die AefU werfen Regierungsrat Kaspar Sutter und dem Amt für Umwelt und Energie (AUE) schwere Versäumnisse vor. Sutters Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) weist die Vorwürfe zurück. Das Ackermätteli sei genügend untersucht; es gebe keinen Handlungsbedarf.

Obwohl schon lange bekannt, wurde nie untersucht, welcher Chemiemüll im Boden liegt, schrieb die AefU am Mittwoch (24.09.2025) in einer Medienmitteilung. Und verlangt, dass die Regierung zum Schutz der Bevölkerung den Chemiemüll beim Ackermätteli sowie unter weiteren Plätzen und Strassen des Klybeck systematisch untersuchen lässt. Dies umso mehr, «als die Regierung Ende Augst 2025 bekannt gab, das verschmutzte Ackermätteli in eine neue grosse Parkanlage Richtung Rhein integrieren zu wollen».

Das zuständige Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt hält gegenüber der «Basler Zeitung» fest, dass man das Freisetzungs- und Gefährdungspotenzial der Belastungen beim Ackermätteli weiterhin als gering einstufe. «Wie bei allen belasteten Standorten ist bei späteren Bauvorhaben, die das Ackermätteli oder seine Umgebung wie die Klybeckinsel betreffen, durch die Bauherren sicherzustellen, dass keine schädlichen oder lästigen Einwirkungen auf die Umwelt entstehen», sagte WSU-Sprecherin Sonja Körkel laut BAZ. Für die fachliche Beurteilung des Ackermättelis lägen bereits ausreichende Untersuchungen und Dokumentationen vor. Aktuell bestehe, gestützt auf die Altlastenverordnung, weder ein Untersuchungsbedarf noch ein Handlungsbedarf für weitere Voruntersuchungen.

Chemiemüll-Funde bei Bauarbeiten

Die AefU stützen ihre erneute Kritik und Forderungen auf Aussagen von Kurt Schoch in einem Interview in der neuesten Ausgabe des AefU-Magazins Oekoskop. Schoch arbeitete im Gewässerschutzamt des Kantons Basel-Stadt und danach im 1999 gegründeten AUE in leitender Funktion im Bereich Abfälle.

Um 1980 kam bei Bauarbeiten beim Kinderspielplatz Ackermätteli im Basler Stadtteil Klybeck Chemiemüll zum Vorschein. Deswegen wurde Schoch dorthin gerufen. Er sah «diesen Chemiemüll im Altrheinweg beim Kinderspielplatz», sagt er im Interview. Er habe «farbige Klumpen und Filtrationsrückstände aus der Farbenproduktion» festgestellt und deshalb das kontaminierte Aushubmaterial entsorgen lassen. «Ich bedaure, dass nie untersucht wurde, welcher Chemiemüll links und rechts des damaligen Grabens im Boden liegt», sagte Schoch weiter. Angesprochen auf die Haltung des AUE, das Ackermätteli sei gut untersucht, sagte Schoch: «Dazu wären beim Spielplatz und teils in den Strassen rundherum Bohrungen, Baggerschlitze, Boden- und Grundwasseranalysen notwendig. Das wurde bis heute nicht gemacht. Also ist das Ackermätteli nicht gut untersucht.» Ähnlichen Chemiemüll wie den aus dem Altrheinweg habe er zudem in den früheren 2000er-Jahren auch bei Grabarbeiten im Unteren Rheinweg, direkt unterhalb der Dreirosenbrücke gesehen.

Älterer Bericht bestätigt Schoch

Die Aussagen Schochs werden gemäss AefU-Mitteilung bekräftigt durch den Bericht eines Ingenieurbüros aus dem Jahr 1990. Im ganzen Untersuchungsgebiet Klybeck, in- und ausserhalb der Werkareale der Ciba-Geigy AG, treffe man immer wieder auf chemisch verschmutzte Auffüllungen oder Depots. Sie enthielten eine klebrige, schwarze Grundmasse, aber auch chemisch-metallische Abfälle und Filterrückstände von Farbstoffen. Es sei nicht bekannt, wo solche alten Abfälle oder Deponien im Stadtteil Klybeck überall vorkommen. Schwerwiegend sei die Grundwasserbelastung im Bereich Unterer Rheinweg–Altrheinweg auf der Höhe des Ciba-Geigy-Areals. Zwar sei das mit Chemiemüll verschmutzte Aushubmaterial ersetzt worden, das dort beim Bau der Abwasserleitung zur neuen Kläranlage 1979 bis 1981 zum Vorschein gekommen sei. Nicht bekannt sei aber die seitliche Ausdehnung des Chemiemülls in das Areal der Ciba-Geigy.

«Regierungsrat Kaspar Sutter scheint weder den Augenzeugenbericht des Spezialisten im damaligen AUE BS, noch historische Berichte ernst zu nehmen», heisst es in der Mitteilung der AefU. Das AUE schreibe ungeachtet der Aussagen und Berichte auf seiner Webpage: «Dass im Bereich des Ackermättelis Chemiemüll deponiert worden wäre, ist nicht dokumentiert.» 

Auf Chemiemüll gebaut

Im 19. Jahrhundert überflutete der Fluss Wiese wiederholt das Klybeck. Um das Gebiet davor zu schützen und neues Land zu gewinnen, liess die Regierung von 1897 bis 1936 die Strassen des neuen Quartiers auf Dämmen bauen und das Land dazwischen auffüllen. Dazu wurden neben Aushub und Bauschutt Rückstände der dortigen Chemiefirma Ciba (heute BASF bzw. Novartis) verwendet: Drei Viertel ihres Abfalls würden «zum Auffüllen von Land abgeführt», hielt der Basler Kantonschemiker 1903 fest.

Matthias Brüllmann

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