Die Bilanz der Stadtentwicklung ist aus Sicht der Mieterinnen und Mieter zwiespältig.
So sehr verkehrsberuhigte Quartiere mit mehr Grünraum die Lebensqualität verbessern, waren die Mietenden in den letzten Jahren zu oft mit der Kehrseite einer unkontrollierten Stadtentwicklung konfrontiert. Die Geschichte ist sattsam bekannt: Die Aufwertung der Quartiere befeuert die Verdrängung. Die bestehenden Bewohnerinnen und Bewohner können sich die renditesanierten Wohnungen nicht mehr leisten. Oder ihr Zuhause wird gleich abgerissen und durch hochpreisige Neubauten ersetzt.
Bezahlbarer Wohnraum wird renditesaniert oder gleich abgerissen.
Diese Verdrängung hat in Basel viele Namen: Schorenweg, Da Gianni oder Kleinhüningerstrasse. Immobilienfirmen und Anlagestiftungen sehen in Wohnraum vor allem eine Möglichkeit, viel Geld zu verdienen. Sie nutzen die Stadtentwicklung dazu, heute bestehenden bezahlbaren Wohnraum mit teurerem zu ersetzen. So hat die Credit Suisse die Hochhäuser am Schorenweg leergekündigt und renditesaniert. Ein englischer Investor kaufte das Da Gianni im St. Johann, riss es ab und erstellt einen Neubau mit teuren Eigentumswohnungen.
Ein neueres Beispiel ist die Kleinhüningerstrasse, an der 200 Menschen ihr Zuhause verlieren, weil die Eigentümer die Wohnungen aufwerten und somit noch mehr Geld aus ihren Liegenschaften schlagen wollen. Dass gerade in letzter Zeit das Klybeck und Kleinhüningen von Verdrängung betroffen ist, ist kein Zufall. Bereits jetzt wirft die in diesem Quartier geplante Stadtentwicklung auf dem Klybeckareal ihre Schatten voraus. In keinem anderen Quartier, so lässt sich dem Immobilienkompass der Basler Kantonalbank entnehmen, sind die Mieten stärker gestiegen als in Kleinbasel Ost.
Verdrängung durch Aufwertung und Neubau-Areale
In den Wissenschaften gibt es für diese Prozesse einen Begriff: Neubaugentrifizierung. Damit sind Aufwertungen gemeint, die über grosse Neubauten auf bislang unbewohnten Arealen erfolgen. Typisch sind Umnutzungen ehemaliger Industrie- oder Bahnareale. Grundsätzlich erfolgt der Verdrängungseffekt über die Aufwertung des städtischen Raums und die Verbesserung der Versorgungsleistungen, die mit den Neubauten einhergehen und die dazu führen, dass umliegende Bestandsbauten renoviert oder komplett erneuert werden.
Was also dagegen tun? Soll man also laute und abgasreiche Strassen so belassen, damit bezahlbarer Wohnraum bestehen bleibt? Diese zynische Aussage war in vergangenen politischen Debatten über die Stadtentwicklung durchaus zu hören. Basels Stimmbevölkerung hingegen sprach sich mehrfach für effektive und wirksame Massnahmen zum Schutz bestehenden bezahlbaren Wohnraums aus. Sie verankerte den Wohnschutz in der Basler Verfassung und im Gesetz. Damit können Sanierungen nur noch in einem eng begrenzten Rahmen auf die Mieterinnen und Mieter überwälzt werden. Auch dürften Häuser nicht mehr einfach so abgerissen werden.
Wohnschutz für die Mieterinnen und Mieter
Die Behörden und die Regierung haben ein ambivalentes Verhältnis zum Wohnschutz. Baudirektorin Esther Keller wurde bei der Präsentation des städtebaulichen Leitbilds zur Klybecktransformation gefragt, welche Effekte diese auf die bestehenden Wohnverhältnisse habe. Ihre Antwort: keine, weil für diese der Wohnschutz gelte. Der Mieterinnen- und Mieterverband Basel ist überzeugt, dass die Regierung bei ihrer Umsetzung des Wohnschutzes zu viele Lücken gelassen hat. Der jüngste Entscheid des Bauinspektorats zu einem Abriss in Riehen befeuert diese Befürchtungen. Es wird wohl noch einige politische Auseinandersetzungen geben, bis die Mieterinnen und Mieter bei Stadtentwicklungen nicht mehr unter die Baggerräder kommen.
Pascal Pfister, Co-Präsident MV Basel