Das Kinderparadies auf dem Kasernenareal

Der Spielestrich 1981. (Foto Claude Giger)

Seit 50 Jahren vergnügen sich Tausende von Kindern jährlich im Spielestrich. Der Indoor-Spielplatz ist für das dicht besiedelte Kleinbasel ein unverzichtbarer Ort. 

Nach 100 Jahren verlor die Kaserne ihre militärische Funktion: 1966 zog die Schweizer Armee aus. Ideen für eine neue Nutzung des Areals gab es viele. ACS und TCS wollten eine Neuüberbauung mit Park und Parking, nur die Klosterkirche sollte stehen bleiben. Das Baudepartement suchte weitere Ideen in einem Wettbewerb, konnte sich aber für keines dereingereichten Projekte erwärmen. Unabhängig davon lancierten Quartierbewohnerinnen und engagierte Architekten die Petition «Ent-stoh-loh» und gründeten 1974 die Interessengemeinschaft Kasernenareal (IKA). Ziel war, die Gebäude stehenzulassen und als Quartierzentrum für das dicht bewohnte Kleinbasel zu öffnen. Das Erziehungsdepartement richtete im Hauptbau Schulräume ein. Die IKA mietete die ehemaligen Stallungen von der Zentralen Liegenschaftsverwaltung und sanierte sie für den Bedarf der verschiedenen Untermieter.

Die Entdeckung des Estrichs

Immer mehr Mütter wurden in den 1970er Jahren erwerbstätig und suchten eine Lösung für die Kinderbetreuung. Diese war überhaupt noch nicht ausgebaut, als einige Familien den Estrich und den Hof hinter den Stallungen entdeckten. Der Kleinbasler Architekt Ruedi Bachmann erhielt schliesslich von Baudirektor Eugen Keller die Zusage für einen Mietvertrag. 

Nach ersten baulichen Massnahmen wurde der Estrich am Adventsmarkt Ende November 1974 erstmals für Kinder öffentlich zugänglich gemacht. Obwohl der riesige Raum nicht heizbar sei, könnten sich Kinder, die in kleinen Wohnungen lebten, «gut eingepackt warm und müde laufen, spielen und schaukeln», hiess es in der Ankündigung. Der Reinerlös des Adventsmarktes kam dem Spielestrichzugute. 

Weil die IKA wenig finanzielle Mittel hatte, involvierte sie die Ortsgruppe Basel des Internationalen Zivildienstes (Service Civil International/SCI). So wirkten Freiwillige und Militärdienstverweigerer bei den Umbauten auf dem Kasernenareal mit und zeigten, wie ein ziviler Ersatzdienst konkret aussehen konnte. Bis das Zivildienstgesetz 1996 in Kraft trat, mussten nämlich Männer, die den Militärdienst verweigerten, ins Gefängnis. 

Roboter und Drachen bei der Eröffnung

Am 1. Februar 1975 fand das Eröffnungsfest statt. Der Künstler und Kulturschaffende Sämi Eugster inszenierte mit seinem Team eine grosse Kinderspielaktion. Der Spielestrich bot ein tumultuöses Bild. Zwar war es kalt, aber in der Hitze des Gefechts der Roboter gegen die Drachen hatte bald jedes Kind warm.

Es war das Ziel der Initiativgruppe Spielbereich Kasernenareal, weitere Eltern für die Betreuung des Spielestrichs zu gewinnen. Rasch entstand eine Elterngruppe, die von der Pro Juventute und der Matthäuskirchgemeinde unterstützt wurde. 1978 organisierte sie sich als Verein Elterngruppe Spielestrich Kaserne und konnte dank Subventionen die Betreuungspersonen etwas entschädigen. Mit wenig Geld, aber viel Kreativität, Engagement und Zeit widmeten sie sich jeden Mittwoch- und Samstagnachmittag den Kindern. Neben dem freien Herumtoben im Estrich konnten die Kinder malen, basteln und werken, backen und kochen. Für die Fasnacht wurden Larven und Kostüme hergestellt. Gemeinsam nahm man als Schyssdräggzügli am Fasnachtsdienstag teil. An lauen Sommerabenden wurde grilliert und musiziert. Am 6. Dezember kam der Santiglaus mit dem Schmutzli vorbei und leerte seinen Sack. Regelmässig gab es Ausflüge in den Baselbieter Jura, manchmal mit Übernachtung im Naturfreundehaus auf dem Passwang. Einmal fand ein Herbstlager in Mürren statt. 

Fasnacht, Santiglaus , Zirkus Wunderplunder und viele andere Veranstaltungen kehrten jedes Jahr wieder. (Fotos zVg)
Spielestrich-Herbstlager in Mürren 1979. (Foto zVg)

Alle diese Aktivitäten förderten den Zusammenhalt der Kinder und der aktiven Eltern. Noch heute erzählen alle, die im Spielestrich involviert waren, wie toll diese Zeit war. Konflikte gehörten zwar auch dazu, aber man versuchte sie an Weiterbildungswochenenden zu lösen. 

Neben dem Elternverein nutzten Kitas, Kindergärten, Schulen und Heime den Estrich. Alle verfügten erstaunlicherweise über einen Schlüssel. Auch heute noch können regelmässig Kindergeburtstage gefeiert werden. 

Umbruch 

Nach 35 Jahren geriet der Elternverein unter Druck – einerseits vom Kanton als Subventionsgeber und andererseits wegen der Schwierigkeit, aktive Eltern zu finden. So kontaktierte er den Verein Robi-Spiel-Aktionen Basel, der den Spielestrich 2012 unter sein Dach nahm, weil er wunderbar ins Programm der Offenen Kinder- und Jugendarbeit passte. 

Der Weiterbetrieb ist gesichert. Im letzten Jahr belebten insgesamt 16’592 Kinder den Spielestrich und an den Wochenenden wurden Kindergeburtstage mit 920 Kindern gefeiert.

Sabine Braunschweig

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