Ein Trägerverein sorgt heute, dass die Quartierzeitung «mozaik» regelmässig in die Briefkästen gelangt, und kümmert sich um Vieles mehr.
Es war Mitte Juli 2000, als Judith und Ruedi Bachmann mich mit einem Besuch in Rosswald, wo ich mit Familie in den Ferien weilte, überraschten: Mit der Frage, ob ich bereit wäre, für das Präsidium des neu zu gründenden Vereins zu kandidieren. Diese Gründung war nötig, so erfuhr ich, weil die finanziell darbende QuK auf eine neue strukturelle Basis gestellt werden musste. «Für mich», schreibt Heinz Weber, der erste Schlussredaktor von mozaik, «war klar: Ohne grundlegende Veränderungen würde es in einem, höchstens zwei Jahren diese Quartierzeitung nicht mehr geben. Eine Strukturdiskussion wurde eröffnet, Konflikte traten zutage… «.
Trägerverein aus der Taufe gehoben
Es erfolgten einschneidende Kündigungen. Danach «beschloss das Rest-Team, einen Trägerverein zu gründen, um die Sorge um die Finanzen von der redaktionellen Arbeit abzukoppeln, aber auch die Quartierkontaktstelle Unteres Kleinbasel von jeder Verantwortung zu befreien». Der Neustart war möglich, weil sich Ruedi Reinhardt vom Friedrich Reinhardt-Verlag anerbot, «die technische Herstellung der Zeitung zu übernehmen, wenn er dafür die Inserate-Einnahmen bekäme. Die Redaktion erhielte für ihre Arbeit, insbesondere die Übersetzungen, einen bestimmten Festbetrag». Und der Grafiker Wilfried Storz würde zu fairen Bedingungen ein neues Layout schaffen.
Zurück aus den Ferien konnte ich am 1. Sept.2000 die konstituierende Vorstandssitzung leiten. Mit dabei: Paolo Saba (Vize-Präsident), Gregor Muntwiler (Kasse, Administration und Bindeglied zur Redaktion), sowie als «Beisitzende» Judith Bachmann, Madlen Blösch und Hatice Güler. Von ihr stammte der Namensvorschlag ‹mozaik›.
Ein Verein besteht aus Mitgliedern, bei einer Zeitung auch aus Lesenden, und er hat mit Geldbeschaffung zu tun. Wer waren denn unsere Mitglieder? Der Kassenbericht der ersten MV 2001, an der 18 Personen teilnahmen, nennt 70 Mitglieder, dazu 60 Abos. Ihnen schickten wir jeweils die neu gedruckte Zeitung per Post zu. Mit Werbeaktionen bei Festen und durch persönliche Kontakte erweiterten wir zusehends unsere finanzielle Basis. Als Mitglieder galten aber auch die zahlreichen Freiwilligen, die in der Redaktion, beim Verteilen, im Vorstand mitwirkten und die mit ihrem Engagement die Gestaltung der Zeitung mitbestimmten. Für sie organisierten wir ab 2006 jährliche Danke-Nachtessen.
Geldbeschaffung, Marktforschung und prix schappo
Wir gingen auch auf Sponsorensuche, um z.B. die Farbseiten in der Mitte der Zeitung und die Kosten für Übersetzungen zu finanzieren. Da waren wir dankbar für die vielfältigen Kontakte von Ruedi Bachmann. Für die Inseratenbeschaffung war anfänglich eine externe professionelle Stelle zuständig, die jedoch nicht effizient war. Darum übernahm ein Inserateteam unter Leitung von Gregor diese Aufgabe. Ein professionell aufgegleistes Fundraisingprojekt (2005-07) mit Dieter Zimmer brachte nebst Geld neue Impulse für zusätzliche Aktivitäten. So boten wir Schreibkurse und Fotoworkshops an, um Leute zum Mitschreiben und -fotografieren zu ermuntern. Wir gingen aktiv auf Migranten-Organisationen, auch Moscheen, zu, um die Mehrsprachigkeit zu verbessern. Wegen der oft nur schwer zugänglichen Briefkästen errichteten wir Zeitungs-Boxen im Quartier. Für mehr Klarheit, wer denn eigentlich die Zeitung lese, machten wir ab 2003 eine Marktforschungsstudie in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum, sowie 2007 eine Strassenbefragung mit dem soziologischen Institut der Uni. Die Ergebnisse waren, v.a. betreffend fremdsprachige Leserschaft, ernüchternd.
Für die längerfristige Planung der inhaltlichen Redaktionsarbeit führten wir zusammen mit der Redaktionsgruppe jährliche «Retraiten» durch, in denen u.a. die Ergebnisse der Umfragen diskutiert wurden. Da wurde auch die Wahl der Fremdsprachen an den Wandel im Quartier angepasst. Um uns der Bevölkerung bekannter zu machen, beteiligten wir uns an Festen wie dem Matthäusplatzfest mit eigenem Zelt und feierten unsere Jubiläen gemeinsam mit lokalen Freizeitorganisationen (2011), bzw. einem Musikfest (2017). Die Ehrung mit dem Prix Schappo der Stadt Basel 2008 schenkte uns weitere Beachtung. Wichtig waren auch Kontakte zu andern Medien wie Radio X und Vogel Gryff.
Frischer Wind mit Internet und Eigenverlag
Gegen Ende des Jahrzehnts ist ein vielseitiger Wandel festzustellen: Beginn der Digitalisierung, Wechsel der Redaktionsleitung, Zukunftswerkstatt, Ablösung vom Verlag.
Das Stichwort «Internetauftritt» tauchte schon in der ersten MV 2001 auf. Konkretisiert wurde das Anliegen ab 2006 mit dem Engagement von Nicholas Schaffner, der seit kurzem im Vorstand war und hier sein Knowhow in Sachen Digitalisierung einbrachte. Es gelang ihm, finanzielle Unterstützung vom Kanton zu gewinnen für die Ausrichtung der Website auf drei Sprachen. Ende 2010 präsentierte er die Website dem Redaktionsteam. Ursprünglich als Online-Ausgabe der Zeitung gedacht, entwickelte sich jedoch allmählich eine parallele Web- Redaktion mit eigenen, auch audiovisuellen, Beiträgen. Wie waren die beiden Welten zusammenzubringen? Als 2010 Peter Kirchebner die Schlussredaktion, die er seit 2005 erfolgreich geführt hatte, aufgab, und sich ein junger Hoffnungsträger, Christian Degen, nach kurzer Zeit wieder verabschiedete, bot Nicholas an, die Print- Schlussredaktion mit zu übernehmen. Damit waren die beiden «Welten» personell verbunden.
Die Krise der Printmedien machte sich jetzt bemerkbar. Für uns zunächst fühlbar im Wechsel der Druckerei. Der Verlag hatte 2007 von Lüdin in Liestal zur baz-Druckerei gewechselt. Als diese einging, ging es 2012 zu AZ-Medien
Aarau. Erste Plan-B-Ideen für Selbständigkeit keimten auf: Was, wenn der Reinhardt-Verlag uns nicht mehr will? Ruedi Reinhardt beteuerte zwar seine «Treue» zu mozaik, jedoch war sein Einfluss im Verlag nach der Pensionierung ungewiss. Eine Projektgruppe, beauftragt in der Retraite 2010, klärte die finanzielle Machbarkeit ab und erarbeitete ein Konzept «Eigenverlag». Darin wurde auch die Honorierung geregelt für Arbeiten, die früher der Verlag gemacht hatte. Das liess sich nicht mehr alles ehrenamtlich erledigen. Die GV 2014 stimmte dem Konzept zu. Man beschloss, auf Ende Jahr beim Reinhardt-Verlag zu kündigen. Mit einer Medienorientierung am 15. April 2015 im neuen eingerichteten mozaik-Büro an der Klybeckstrasse 59 traten wir an die Öffentlichkeit.
Entwicklungsprozess «Aufbruch»
Der Anfang mit der Eigenproduktion war verheissungsvoll und entfachte vielseitige Dynamik. Der Jahresabschluss 2015 zeigte einen Überschuss. Bald aber wurden Folgen einer übersprungenen professionellen Organisationsentwicklung sichtbar: Die Arbeitslosenkasse zwang uns, die Anstellungsverhältnisse, mit AHV-Bei- trägen, neu zu regeln. Wir hatten den Übergang vom Prinzip der Ehrenamtlichkeit hin zu bezahlten Funktionen ungenügend reflektiert. Hinzu kam, dass wir wegen längerer Erkrankung des Kassiers erst spät realisierten, dass
unsere Kasse in Schieflage geraten war infolge zu grosszügigen Ausgaben v.a. im Bereich der sozialen Medien. Die Aufarbeitung und die notwendigen Sparprogramme führten zu heftigen Konflikten mit Rücktritten.
Krise als Chance
In der Krise konnten jedoch neue Personen mit neuen Ideen für den Verein gewonnen werden: Rolf Killias für die Buchhaltung, Hans Georg Heimann für den Vorstand. Auf Initiative von Hans-Georg beschloss die GV 2018 die Durchführung eines Entwicklungsprozesses in Form von 3 Workshops mit über 30 Personen. Die so erarbeitete neue Struktur des Vereins umfasst nun nebst Redaktionsteam, VerteilerInnen, Vorstand und Mitgliedern:
- Eine bezahlte Geschäftsstelle mit Web-Betreuung und mit den Schlussredaktoren,
- Ein Redaktionsauschuss als Schnittstelle zwischen Videoprojekten und Printredaktion.
- Bezahlte Inserateakquisiteure.
An der Mitgliederversammlung 2019 konnte ich die Leitung des Vereins an den neuen Präsidenten Hans-Georg Heimann und an die Geschäftsführerin Nadia Stöcklin übergeben. Ich freue mich, dass nach viel lustvollem Engagement, mit zahlreichen herzlichen Kontakten, oft mit schmerzhaftem Durchhalten, der Verein jetzt wieder mit frischem Wind auf Fahrt ist!
Benno Gassmann