Im mozaik-Teil Rosentalquartier/Erlenmatt wurde viel über das neuerbaute Erlenmattquartier berichtet. Nun packe ich die Gelegenheit, zum Thema «Originale» ein Ehepaar vorzustellen, das sich genau vor 50 Jahren entschieden hat, vom Horburgquartier ins Rosentalquartier zu ziehen. Und es bis heute nicht bereut hat.
Sie waren in den 70er-Jahren eine junge Familie mit vier Kindern. Der Mann und Vater hatte eine Stelle als Elektriker. Es gab, wie er sagte, ein Einkommen, um sechs Menschen da- von zu ernähren. Die Frau und Mutter betreute die Kinder und besorgte den Haushalt. Es war allen wohl dabei. Und doch mussten sie aufs Geld schauen.
450 Franken Miete pro Monat
Die Küche bestand nur aus einem Spülbecken und dem Kochherd. Nichts war eingebaut gewesen. So- gar den Kühlschrank mussten sie mitbringen. Das war in den 70er- Jahren noch so üblich. Sie bekamen zuerst noch Subventionen des Kantons Basel-Stadt. So kam damals die monatliche Miete für die Wohnung auf 450.- Franken.
An diese Zahl erinnerten sich beide sehr klar. Das Haus war von einem Bekannten der jungen Eheleute erbaut worden. Der Hausbesitzer war froh, den tüchtigen Elektriker (und seine junge Familie) aufnehmen zu können und in seiner Nähe zu haben.
Der Ehemann nahm zusätzlich die Stelle im technischen Hausdienst für den ganzen Wohnblock an. Obwohl er nun schon lange in diesem Amt pensioniert ist, ist sein Wissen heute immer noch sehr gefragt, wenn mal was wieder nicht funktioniert wie der sehr nützliche Lift oder die Heizung.
Im ruhigen Haus kennen sich die Mieter gut
Alle sind im Haus zusammen alt geworden. Es ist ein ruhiges Haus. Alle der langjährigen Mieterinnen und Mieter kennen sich gut. Viele sind jetzt über achtzig Jahre alt. Zum Teil sind auch schon Kinder der Erstmieter im Haus wohnhaft gewesen. Die vier Kinder des Ehepaares waren zum Umzugszeitpunkt zwischen 6 und 11 Jahre alt. Sie mussten die Schule wechseln.
Ein Kind blieb im Dreirosenschulhaus, die anderen wechselten ins Sandgruben- und ins Wettsteinschulhaus. Die relativ langen Schulwege wurden in Kauf genommen. Denn die Vorteile der neuen Wohnung waren zu verlockend. Da der Ehemann ein Auto für die Arbeit brauchte, war auch der Garagenplatz in der grosskonzipierten Einstellhalle sehr willkommen.
Parkplätze wurden geteilt
Die Hälfte der Garagenplätze wurde an die damalige Firma Ciba-Geigy tagsüber fest vermietet. So kamen die Bewohner auf die Idee des Parkplatz-teilens! Am Tag waren die Autos der Chemiemitarbeitenden auf dem Garagenplatz geparkt, in der Nacht die der Anwohner.
Wie genial ist denn das! Der Garagenplatz kam noch zum Mietzins dazu. Die Arbeitsstunden im technischen Hausdienst wurden separat als Lohn ausbezahlt.
«Fast wie auf der Alp»
Ich fragte das Ehepaar, wie es denn damals war, im Rosentalquartier zu wohnen. Beide schilderten den grossen ruhigen und begrünten Innenhof zuerst. Mit Blick «fast wie auf der Alp», spöttelt der Ehemann.
Für die Kinder gab es sogar ein kleines Planschbecken und einen Sandkasten auf dem Dach der Garage. Heute sind beide Becken zu einem Pflanzbeet umfunktioniert worden. Auf der Galerie (das Haus wurde für eine Garage gebaut mit Zapfsäulen und Werkstatt. Später wurden dort nur noch Autos verkauft und heute ist ein KMU-Betrieb darin untergebracht) gab es auch einen speziellen Raum, welcher für Kindergeburtstage und Feste genutzt werden konnte.
Nahe beim Rhein
Für den Ehemann war die Nähe zum Rhein sehr wichtig. Denn er war ein Mitglied des Wasserfahrvereins Horburg. Für die Ehefrau zählte die Nähe der Tramlinien 2 und 6 sehr viel. Sie war auf dem Lande aufgewachsen und kannte die Stadt nicht so gut. Doch sie kannte den Tramfahrweg vom Sommer her.
Mit den Kindern konnte sie direkt vors Eglisee-Gartenschwimmbad fahren. Allerdings erst, als sie Zwillinge gross genug waren und sie den sperrigen Zwillingskinderwagen nicht mehr brauchte. Denn das Niederflurtram gab es damals noch nicht. Im Eglisee fühlte sich die Familie wie in den Ferien.
Auf den Lärm der Tramdurchfahrten angesprochen, antworteten beide, dass sie sich daran sehr schnell gewohnt hätten. Schlimm sei einzig vor wenigen Jahren die er- neute Verlegung der Tramgeleise in die Mitte der Strasse gewesen. Da war Lärm «ungefähr Tag und Nacht». Und viel Staub und Schmutz. Das habe Nerven gekostet. Zumal die Ehefrau damals rekonvaleszent war nach längerer Krankheit.
Auf die nahe Chemiebetriebe an- gesprochen, meinte der Ehemann, dass die Chemie auch Arbeitgeber war (zum Beispiel für Elektrikerarbeiten) und heute noch ist.
Und die Grünanlagen um die beiden Schulhäuser herum (Sandgrubenschulhäuser) seien von ihren Kindern rege genutzt worden. Auch der jährliche Aufenthalt des Circus Knie habe der Familie gefallen.
Natürlich hat sich auch einiges geändert. In den 70er Jahren war in der Rosentalstrasse noch Gegenverkehr erlaubt. Dank eine Anwohnerinitiative wurde der Einbahnverkehr für Autos eingeführt.
So hat es zu einer Beruhigung der Lärmemissionen geführt. Vor fünf Jahren ungefähr hatten Zürcher Investoren diverse Gebäude bis zur Schwarzwaldallee hinauf aufgekauft. Auch ihr Hausblock ist nun nicht mehr in privatem Besitz. Zuerst waren Pläne auf dem Tisch, alle bestehenden Bauten abzureissen und eine grosse Überbauung zu realisieren.
Die Wohngenossenschaft «zur Eiche» in der Rosentalstrasse hat sich aber erfolgreich dagegen gewehrt. So ist bis jetzt äusserlich alles gleichgeblieben. Nur die Besitzverhältnisse haben sich verändert. Ich staune und denke mir, dass Anwohnerinitiativen schon was bewegen können!
Der Ehemann weist darauf hin, dass es innerhalbe ihres Blockes nun sehr unterschiedliche Mietzinshöhen gibt für die gleiche Anzahl Zimmer in einer Wohnung. Auch die Zusammensetzung bezüglich der Herkunft der Mieterinnen und Mieter sei anders geworden. Sie schätzen ein Drittel zu zwei Drittel lang- jährige Mietende.
Zum Glück hat es Post und Bank am Badischen Bahnhof
Für das über 80-jährige Ehepaar ist es zudem sehr wichtig, dass es neben der Post nun auch eine Bank am Badischen Bahnhof hat. Einen Blumen- und Lebensmittelladen, der fast ganzjährig offen hat.
Neben der schon lange bestehenden Postfiliale und Apotheke gibt es auch Coiffeure, einen Kiosk, Physiotherapien und das Spitex-Büro in unmittelbarer Nähe. Das sei für sie alles eine Verbesserung!
Als Episode sei noch angeführt, dass in den 60er-Jahren sogar ein Seitenwagenrennen durchs Kleinbasel und ihre Wohnstrasse ging und die Tour de Suisse, ganz zum Vergnügen des sportinteressierten Ehemannes. Dass dies längst vorbei ist, stört niemanden. In der Erinnerung ist es noch lebhaft wie wenn es gestern gewesen wäre.
Kürzlich wurde eine grosse Tanne, die über den Balkon des Ehepaares hinauf bis in den 5. Stock des Hauses über die Jahre gewachsen war, umgelegt.
Zuerst waren sie ganz entsetzt. Es war plötzlich alles so hell und die Farbe eines Nachbarhauses schien ihnen zu grell und blendete sie fast. Nun sehen sie aber auch in der neuen Optik, dass der Blick noch weiter geworden ist. Wie auf der Alp eben.
Susanne Zeugin