Vom Binnenhafen Kleinhüningen in die weite Welt – der Seemannschor «Störtebekers».
Hamburg ist ein Binnenhafen. Kleinhüningen ist ein Binnenhafen. Von Hamburg aus braucht die Elbe 100 Kilometer bis zur Nordsee, von Kleinhüningen aus braucht der Rhein etwa 1‘000 Kilometer bis zur Nordsee. An beiden Orten aber hört man die Möwen kreischen, die Ankerketten klirren, die Schiffssirenen hupen, die Wellen an die Bordwand schlagen und kräftige Männerstimmen singen. Shantys. Es sind Lieder der Matrosen bei harter und gemeinschaftlicher Arbeit auf den Segelschiffen der Kauffahrer seit circa 1450. Die Schiffe haben statt Wind und Segel jetzt einen Maschinenraum und Dieselantrieb, die Arbeit und die Lieder sind geblieben. Der Shantyman singt seinen Solopart, der von Kehrreim der Mannschaft abgelöst wird. Das funktioniert auch an Land. In Hamburg wie in Kleinhüningen. Hier heisst der Chor «Störtebekers». Er wurde 1962 zusammen mit dem Seemannsclub der Schweiz gegründet. Zurzeit besteht der Chor aus zehn Mann und einer bis zwei Frauen, die mit dem Akkordeon den Ton angeben. Sie heissen André, Roger, Mike, Rainer, Werner, Peter und Sylvia, um ein paar Namen zu nennen. Zu hören sind sie im In- und Ausland.
Der Chor ist kein Verein. Die Funktionen Administration, Kassier, Noten und Texte, Uniformen und Musik werden intern aufgeteilt. Nebst wöchentlichen Proben, seit vierzig Jahren im «Wiesendamm» jeweils mittwochs von 19.30 Uhr bis 22 Uhr (danke für die langjährige Gastfreundschaft) gibt es jährlich drei bis vier Mal einen Gastauftritt für die Bewohner und die Mannschaft. Die Darbietungen lösen jeweils grosse Freude aus! Fünfzehn Anlässe pro Jahr finanzieren die Chorreisen in Hafenstädte wie Hamburg, Bremen, Rostock, Lissabon. Auch dort wird der Gesang «honoriert».
Bis vor wenigen Jahren sind die meisten Sänger beruflich auf dem Rhein oder zur See gefahren. Heute, der «Nachschub»fehlt, besteht der Chor aus ehemaligen Seeleuten oder Rheinschiffern und Kameraden, die eine Beziehung zu Wasser und Meer haben.
Seemannsgarn: Das ist etwas ganz Besonderes und Pitt Isler hat in seinem Buch, das zu lesen grosses Vergnügen bereitet, viel Garn gesponnen. Das Glossar verdient Interesse. Anekdoten gibt es haufenweise, so vom Shantyman, der als Steuermann einem Matrosen eine Arbeit anweist, vom Kapitän gefragt wird, ob er die Arbeit selbst schon gemacht habe, was er verneint und zu hören bekommt: «Du weist keine Arbeit an, die du nicht selbst gemacht hast», «Aye Aye, Käpt’n» und: «isch guet Schwììgerbappe». «Ja, wenn man die Tochter des Kapitäns heiratet …» Andere Geschichten von einem Versorgungsschiff, wo bei hohem Seegang dem in Not geratenen Schiff geholfen wird, ein zerquetschter Finger amputiert wird … Wie bei zwölf Meter hohen Wellen nur mit einem Gummiboot zum Schiff in Not gefahren werden kann … Wie in Port-au-Prince der Mercedes für den Präsidenten von den «Tontons» bewacht wird, wie wegen des Krieges Israel – Ägypten das Schiff über das Kap der Guten Hoffnung nach Schanghai fahren muss, inkl. Äquatortaufe, wie in China drei Wochen gewartet werden muss, bis die Ladung gelöscht werden kann, wie beim Unfall in Liverpool ein Sarg als Tragbahre herhalten muss und die Freundin in Rio dann vergeblich wartet … Geschichten, die das Seemannsleben schrieb und im Buch «Schiffsjahre» von Pitt Isler nachzulesen sind.
Nachzuhören sind die 41 Shantys auf der Doppel-CD, die bei Peter Widmer bezogen werden kann.
Hans Stelzer
Infobox
Website
https://stoertebekers-basel.ch
Kontakt
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Pitt Isler +41 79 645 35 38