Jean-François Gächter wurde Opfer einer Gewalttat. Heute engagiert er sich in der Prävention, unter anderem in Schulen. Jerusalem Ilfu befragte ihn dazu.
Sie sind Mitarbeiter des Schweizerischen Instituts für Gewaltprävention (SIG), das sich auf die Tätigkeit in Volksschulen spezialisiert hat. Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Schulen aus?
Das SIG hat das Ziel, jeder Schule ein gesamtschulisches Gewaltpräventionskonzept anzubieten, das genau auf die Bedürfnisse vor Ort abgestimmt wird. Die zeitlichen bzw. finanziellen Ressourcen werden selbstverständlich berücksichtigt. Das Konzept sieht Massnahmen vor, die Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen, Schule, Eltern und Gemeinde einbezieht. Von den Schulen wird besonders der partizipative Ansatz sowie die Auswahl der Massnahmen entsprechend der Situationsanalyse geschätzt. Die Lehrpersonen und Schulen erhalten wirksame methodische Hilfsmittel, die sie anwenden können. Zusätzlich steht ihnen eine online Plattform zur Verfügung mit vielen hilfreichen Ideen zur konkreten Vorgehensweise.
Oft betreuen wir die Schulen mehrjährig, wodurch sich eine tragfähige Beziehung entwickeln kann. Bei akuten Problemen kann das SIG einfach und schnell um Rat gebeten werden.
Das SIG, wie es heute aufgestellt ist, kann auf über 25 Jahre Erfahrung zurückgreifen; zudem wurde unsere Arbeit durch den Bund wissenschaftlich evaluiert.
Es gibt eine Studie «Bedarfsabklärung Gewaltprävention und -intervention an Schulen», die 2022 von der Pädagogischen Hochschule Zürich gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz an den Volksschulen und auf der Sekundarstufe II durchgeführt wurde. Sie kam zu dem Ergebnis, dass jede zweite der befragten Personen über körperliche Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen und Schülern berichten konnte. Noch häufiger sind Demütigungen und Bedrohungen. Das Ergebnis zeigt eindeutig, dass Gewalt an Schulen alltäglich ist.Im Kanton Basel-Stadt wurde noch keine vergleichbare Studie durchgeführt.
Im Zusammenhang mit dieser Studie stellt sich die Frage, wie man den Bedrohungen und Demütigungen entgegenwirken kann. Wie gehen Sie vor?
Die Schule kennt und erlebt viele verschiedene Arten von Gewalt. Es gibt zudem immer mehr digitale Gewalt in verschiedenen Formen und an verschiedenen Orten: Zu nennen wären beispielsweise soziale Netzwerke, Messenger-Apps, Chaträume, Gaming-Plattformen oder das E-Mail-Postfach. Auch da muss man lernen, sich adäquat zu schützen. Digitale Gewalt hängt häufig mit der analogen zusammen. Manchmal überträgt sich analoge Gewalt in den digitalen Raum. Hier ist die Sensibilisierung im Umgang mit digitalen Medien sehr wichtig.
Du entscheidest, was du verschickst und ins Netz stellst. Damit sollte man verantwortungsvoll umgehen.
Falls ein Chatverlauf ohne das Einverständnis einer Person veröffentlicht wird, sind die Opfer oft nicht in der Lage sich rechtzeitig Hilfe zu holen und sich einer Person anzuvertrauen oder direkt zur Polizei zu gehen. Dabei wäre die Unterstützung durch die Polizei sehr wichtig.
Eine niederschwellige Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche wäre die kostenlose Helpline 147 der Pro Juventute.