Haustürgespräche gegen Rheintunnel

Der Bund möchte eine Autobahn quer durch Basel bauen. Um sich gegen dieses Megaprojekt zu wehren, spricht die Kampagne «Jetzt wenden!» die Quartiersbevölkerung direkt an ihrer Haustür an.

Ein Dinosaurier-Projekt: Kreativer Protest gegen den Rheintunnel auf der Strasse im Kleinbasel (Foto: Matthias Brüllmann)

In der Schweiz wird gebaut – nicht etwa günstiger Wohnraum, sondern Autobahnen. In Basel soll ein Tunnelportal von rund 7,5 Kilometer Länge gebohrt werden, von Birsfelden bis zur Dreirosenmatte. Mit rund 2,6 Milliarden Franken wäre es das teuerste Bauprojekt in der Region Basel aller Zeiten. Baubeginn des Autotunnels wäre 2029, Inbetriebnahme frühestens 10 Jahre später. Und das im Kanton, der sich das Ziel gesteckt hat, bis 2037 klimaneutral zu sein. Es ist ein Wahnsinn fürs Klima – und für unsere Lebensqualität.

Denn mehr Autospuren heissen auch mehr Verkehr, wie die Verkehrsforschung seit Jahrzehnten nachweisen kann. Selbst unterirdisch geleiteter Verkehr kommt irgendwo wieder an die Oberfläche. Björn Slawik hielt deshalb schon vor einem Jahr im «mozaik» (Nr. 03/2023) fest, dass der Rheintunnel nur das Pendeln zwischen Agglomeration und Stadt befördern würde, was mehr Autos in den Quartieren bedeutet. Die Quartiere verlieren also gleich doppelt: Erstmal zehn Jahre Baustellen und Lärm, dann mehr Verkehr.

Die Quartiere verlieren

Der Rheintunnel betrifft die ganze Region Basel. Auch in Birsfelden sollen 150 Familiengärten zerstört und ein Teil des Hardwalds gerodet werden. Der Rheintunnel würde damit durch die Grundwasser-Schutzzonen des Hardwalds verlaufen, was das Basler Trinkwasser verdrecken könnte.

Dieser Zerstörung unserer Quartiere wollen wir nicht tatenlos zusehen. Darum haben wir – verschiedene Gruppen und Einzelpersonen aus Basel – vor einem halben Jahr uns zur Kampagne «Jetzt wenden!» zusammengeschlossen. Dabei suchen wir das direkte Gespräch mit anderen Menschen im Quartier, und zwar direkt an ihrer Haustür. Denn wir sind überzeugt, dass der Widerstand gegen den Rheintunnel aus den Quartieren selbst kommen muss.

«Jetzt wenden!»

«Jetzt wenden!» ist eine Basis-Kampagne, der keine politischen Parteien angehören. Wir setzen uns ein für eine Stadt, in der alle gut und gerne leben können. Sehen wir uns bald an deiner Haustür oder an einer unserer Veranstaltungen?

QR-Code zur Kampagne "Jetzt wenden"

Im Matthäus-Quartier ist dieser Widerstand besonders stark. Denn das Quartier würde in der zehnjährigen Bauphase ihre einzige Grünfläche, die Dreirosenmatte, verlieren. Grosse Baumaschinen sollen ab 2029 über Wiese, Spielplatz und Basketballfeld rollen, direkt neben einem Schulhaus, und auch in der Nacht. Zudem ist das Matthäus-Quartier einer der am dichtest bewohnten Flächen der Schweiz. Hier die einzige Erholungsfläche rückzubauen ist ein Frontalangriff auf die Lebensqualität des Quartiers.

Der Rheintunnel wendet sich auch gegen unsere anderen Bedürfnisse. Statt rund 2,6 Milliarden Franken buchstäblich zu verlochen, könnte das Geld in den öffentlichen Verkehr, den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft, die Pflege, günstigen Wohnraum oder das Bildungssystem gesteckt werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Mit diesem Geld könnte jeder Person in Basel-Stadt während 18 Jahren ein U-Abo bezahlt werden.

Unser Konzept: «Organizing»

Autobahnen fallen zum Glück nicht vom Himmel. Aber sind sie einmal da, bekommt man sie nur schwer wieder weg. Deshalb sprechen wir andere Menschen im Quartier direkt an und bauen den Widerstand gegen den Rheintunnel auf. Wir haben bereits 2ʼ000 Haustürgespräche geführt und 600 Fahnen aufgehängt. Wir organisieren Veranstaltungen und Kennenlerntreffen, um grösser zu werden und die breite Bevölkerung über den Rheintunnel aufzuklären.

70 Prozent Nein-Stimmen in Basel

Unser Motto dabei: Was noch nicht gebaut ist, kann verhindert werden. Am 24. November wird national über den Rheintunnel abgestimmt, zusammen mit fünf anderen Autobahnprojekten. Wenn alle, die in Basel kein Auto besitzen, am 24. November nein sagen, haben wir unser Ziel von 70 Prozent Nein-Stimmen in Basel schon fast erreicht. Doch die Gegenseite und die Auto-Lobby investieren viel Geld, um den Autobahn-Ausbau schönzureden. Und weil es möglich ist, dass Basel von der Schweizer Stimmbevölkerung überstimmt wird, halten wir uns auch auf die Zeit nach der Abstimmung bereit.

Es gibt verschiedene Beispiele, wo eine gemeinsame Organisierung im Quartier zu parlamentarischen Erfolgen geführt hat. Ein Beispiel ist die Klimagerechtigkeitsinitiative «Basel 2030», deren Gegenvorschlag 2022 angenommen wurde. Ein weiteres Beispiel ist «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» aus Berlin. Dort haben sich Leute aus den Quartieren erfolgreich mit den grössten Immobilien-Haien Berlins angelegt. Die Strategie war jeweils das «Organizing», also der direkte und persönliche Kontakt mit anderen Betroffenen, von Haustür zu Haustür.

Florian Steiner und Ben Huber

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