Streitsüchtiger Arbeitskollege, pubertierende Tochter, Verkehrsrowdy! Wann hat eine:r die Nase voll? Und was dann? Dragica Marcius erkundigt sich bei Passanten im Kleinbasel.
Jetzt langt’s! Wie oft schon habe ich diesen, meist lautstarken Ausruf gehört! Die Nerven liegen blank. Zum Beispiel wenn ein Ehestreit eskaliert und jeder am liebsten davonstürmen möchte. Oder wenn ein Vater seinen halbwüchsigen Sohn, der schon wieder sein ganzes Taschengeld am Fünfzehnten des Monats ausgegeben hat und den Vater nervend um Neues bettelt. Eine 13-jährige Tochter will bis nach 24 Uhr ausgehen, ein Elternpaar weist im Restaurant die unruhigen Kinder zurecht, eine Mutter will, dass das Kind im Bus zu zappeln aufhört. Ganz zu schweigen vom Warten an der Supermarkt-Kasse, wenn die Kinder auf Augenhöhe Kaugummi und Zuckerzeug sehen, quengeln oder toben und es unbedingt haben wollen. Irgendwann langt’s!
Menschen verlieren aus den verschiedensten Gründen die Fassung und beginnen je nach Temperament laut oder leise zu fluchen, zu schimpfen oder auszurufen. Hat man eher ein ruhiges Temperament, so juckt es einen nicht, wenn ein Autofahrer auf rechts überholt und sich dann vor einem in den Verkehr drängelt. Jemand mit einem aufbrausenden Temperament gerät in Rage, nimmt die Verfolgung auf und versucht nun seinerseits zu überholen um dem Verkehrsrowdy den Stinkefinger zu zeigen. Wann es jemandem langt, auf diese Frage habe ich im Kleinbasel die verschiedensten Antworten bekommen. Hier einige davon:
Hedi (64): «Wenn mein Mann mir beim Kochen hineinredet, kann es manchmal vor dem Mittagessen in unserer Ehe schon richtig dampfen. Seit er pensioniert ist, will er überall mitreden. Tu doch noch mehr Pfeffer in das Essen! Wärm die Teller vor! Schalt die Herdplatte aus! Das geht so lange, bis ich ihm aus Wut einen Teller vor die Füsse werfe. Dann weiss er, dass es genug ist.“
Sabina (14): «Wenn mein Freund dasitzt und einfach nicht redet. Dann könnte ich ausrasten. Ich weiss nicht, was in ihm vorgeht, was los ist, ob es etwas mit ihm, mit uns, mit mir zu tun hat. Auf meine Fragen antwortet er einsilbig und ich hocke dann immer noch und weiss nicht, woran ich bin. Das ist etwas, das kann mich auf die Palme bringen.»
Hans (48) verbringt, seitdem er geschieden ist, nur an den Wochenenden Zeit mit seinen beiden Kindern. Mit seiner Exfrau hat er immer wieder heftigen Streit. «Sie ist empört, dass ich die Kinder dann verwöhne und sie allein das Alltagsgeschäft mit ihnen machen und den Frust der Kinder aushalten muss. Sie rastet dann jedes Mal regelrecht aus, dass es ihr jetzt langt und droht mir mit dem Entzug des Sorgerechtes.»
Marcella (33): «Ich bin Italienerin und da fliegen schon mal wegen Kleinigkeiten die Fetzen. Zum Beispiel: Wenn mein Mann Alessandro unbedingt das Taxi mit einer Nummer bestellen will, bei der man mich letzthin unhöflich behandelt hat. Ich will eine andere Nummer wählen und dann ist schon Streit da. Mir langt’s dann einfach. Wir zanken uns lautstark, beschimpfen uns nachtragende Tussi oder unbelehrbarer Esel, knallen die Türen, aber meistens geht das wie bei allen Italienern schnell vorbei und wir vertragen uns wieder.»
Oliver (10): «Ich vertrage einfach nicht, wenn mein Freund Mischa mich immer mit meiner krummen Nase aufzieht. Wenn er mich dreimal ausgelacht hat und nicht mehr aufhören will, packt mich die Wut und dann gibt’s zuerst eine Rempelei, dann werden wir lauter und zum Schluss prügeln wir uns. Herr Matthys, unser Lehrer hat uns schon oft gesagt, dass es nicht freundlich ist, den anderen zu hänseln und zu ärgern. Aber Mischa ist dumm. Er macht das immer wieder. Zum Glück bin ich schon grösser als er und er bekommt dann von mir auf die Nase.»
Fatme (34) ist Mutter von drei Kindern. Ihr Mann arbeitet den ganzen Tag auf dem Bau und Fatme versorgt die Kinder und macht den Haushalt. Abends ist sie von allem todmüde und braucht, nachdem die ganze Familie zu Abend gegessen hat, einen Moment des Innehaltens und der Ruhe. Aber die Kinder sind ausgelassen und freuen sich darüber, dass der Vater da ist und ein wenig Zeit für sie hat. Sie spielen, toben und schreien alle durcheinander. Dazu läuft meistens der Fernseher und der Wellensittich, den die Kinder sich zu Weihnachten geschenkt bekommen haben, tut sein Bestes, um den Lärmpegel zu übertönen. Die Wohnung ist nicht gross genug für so viel Lärm, denkt Fatme dann. Manchmal packt sie in solch einer Situation eine unbändige Wut und sie möchte alles kurz und klein schlagen, schreit und flucht auf Türkisch, bis sie alle erschrocken anschauen. Aber dann ist ihre Wut auch schon verraucht, und wenn ihr Mann sie dann in den Arm nimmt, beruhigen sich auch die Kinder.
Ausser im Sport lassen sich Menschen verständlicherweise nicht gern fotografieren, wenn sie an ihre Grenzen kommen oder darüber hinaus. Die Illustrationen zu diesem Artikel wurden mit dreamstudio.ai erstellt.