Stadtentwicklung, Partizipation und Behörden – ein paar unvollständige Gedanken und eine Einladung zur Diskussion.
Basel hat grosse Transformationsareale. Stadtentwicklung hiess in den letzten Jahren, Konzepte für eine Neunutzung dieser Areale zu entwickeln. Gibt es aber in Basel auch ein Entwicklungskonzept für die alten Quartiere? Ein Konzept für die Entwicklung der Wohnqualität, der Nachbarschaftlichkeit, ein Konzept, das den spezifischen Charakter jedes Quartiers unterstreicht, ein Konzept, wie in jedem Quartier die Verbesserung des Mikroklimas bewerkstelligt werden kann?
Für mein Quartier Matthäus/Horburg/Klybeck ist kein solches Konzept ersichtlich. Das Postulat der Verdichtung kann wohl nicht als Entwicklungskonzept in diesem Sinne verstanden werden. Das Stadtklimakonzept beschreibt, dass sich klimatische «Hotspots» in meiner Nachbarschaft häufen. Das Konzept enthält aber auch Merkwürdigkeiten wie die Feststellung, dass ein genügend grosser Anteil der Bevölkerung in Fussdistanz (300 m Luftline) einen öffentlichen Grünraum erreichen kann und deshalb anders als im Hirzbrunnenquartier kein Handlungsbedarf besteht. Kein Wunder angesichts der hohen Bevölkerungsdichte. Also: es gibt kein Enwicklungskonzept.
1998 eröffnete Barbara Schneider, die damalige Direktorin des Baudepartements mit einer breit angelegten Mitwirkungsveranstaltungen die Planung zum DB-Areal, dem heutigen Erlenmattquartier. Es beteiligten sich sehr viele Quartierbewohner:innen. Die Veranstaltungen waren interessant und lustvoll. Dass der Wunsch des Quartiers nach einem grossen Grünanteil aufgenommen wurde, bleibt ein grosser Erfolg. 2005 wurde dann ein Mitwirkungsartikel in die neue Verfassung aufgenommen. Es folgten verschiedene Verordnungen und im Mai dieses Jahres ein Gesetz. In den Diskussionen ging es um den Unterschied zwischen Information, Anhörung oder Einflussnahme, das Verfahren zunehmend formalisiert. Es gab ein paar Jahre lang sehr viele Mitwirkungsverfahren, viele betrafen die grossen Entwicklungsareale wie Hafen und Klybeck. Die Einflussnahme der Bevölkerung, des betroffenen Quartiers auf die grossen Planungen wurde immer kleiner. Zumal auch die entscheidenden Voraussetzungen schon entschieden waren, wie im Falle der Planung fürs Klybeckareal die hohe Nutzungsdichte von 3 im Vergleich zur Nutzungsdichte von 1 fürs DB-Areal.
Versprechungen «vergessen»
Dazu kommt: Was nützen die grossen Partizipationsveranstaltungen, Meinungsumfragen und Konzepte, wenn die Prinzipien, die formuliert und vereinbart werden, nicht umgesetzt werden? Wer erinnert sich daran, dass das Erlenmattareal oberirdisch frei von Autos sein sollte? Die Regierung hatte diese Forderung der Partizipationsveranstaltungen aufgenommen und das neue Quartier in den Unterlagen zur Abstimmung 2005 als oberirdisch autofrei propagiert. Aber im Bebauungsplan wurde vergessen, unterirdische Gästeparkplätze und Parkplätze für Handwerker zu fordern.
Ein Trauerspiel ist der Erlenmattplatz. Ich möchte nicht gegen die jetzigen Nutzungen polemisieren. Aber Tatsache ist, dass der Platz nach einer sehr sorgfältigen und breiten Bedürfnisanalyse als Platz für Jugend und Sport bestimmt wurde und diese Nutzung dann während zehn Jahren verhindert wurde. Das ist nicht nett ausgedrückt. Aber der Platz hätte ja trotz der ambitiösen Planung für ein Jugendzentrum, die im Übrigen schon lange sistiert war, genutzt werden können. Wie kommt eine Regierung, wie kommen Behörden dazu, einen grossen Freiraum für Jugendliche und junge Erwachsene im einem Quartier mit sehr spärlichen Freiräumen zu blockieren? Es hätte wenig gebraucht, um zumindest während dem Lockdown hier jungen Menschen eine Möglichkeit zu geben, sich zu treffen: Wasser, Strom, die Möglichkeit, sich ein Dach zu bauen, eine minimale Begleitung. Die gleiche Regierung ist sang- und klanglos bereit, die Dreirosenmatte und die Freizeithalle Dreirosen, die beide auch sehr breit von Jugendlichen genutzt werden, für ein hoch umstrittenes Autobahnprojekt zu opfern. Junge Menschen sind offenbar keine «Kategorie» in der Stadtentwicklung.
Zurück zur Mitwirkung oder Partizipation: Es gibt eine Klimaanalyse und ein Stadtklimakonzept. Es ist unbestritten, was zu tun ist: Mehr Bäume, unversiegelte Flächen, Wasser. Aber: Die Klybeckstrasse wird saniert, ohne dass ein einziger neuer Baumstandort geplant wird. Es gibt überhaupt keinen einzigen neuen Baumstandort in meiner Nachbarschaft.
Ich wünschte mir, dass Partizipation vermehrt heisst, dass Bewohner:innen aktiv werden, und die Behörden darauf eingehen. Dass das Wohnumfeld vermehrt von den Bewohner.innen gestaltet werden kann. Ich bin sicher, dass Quartierbewohner:innen realistische Vorschläge haben für neue Baumstandorte, vielleicht schon abgesprochen mit den Nachbarn. Basel braucht diese Vorschläge, um nicht weiter an Ort zu treten mit den mikroklimatischen Massnahmen. Das gilt auch für andere Themen. Vorgärten, Dachterrassen, Fassaden: Setzt die Verwaltung die Vorgaben durch, die dazu bestehen? Unterstützt sie Private, die diesbezüglich aktiv werden wollen?
Partizipation kann und soll vermehrt auch als ein Instrument der kleinräumigen Planung verstanden wird. Das bedingt ein grosses Umdenken bei den Behörden. Und eine aktive Bevölkerung.
Antoinette Voellmy