Raum für Solidarität und Verbundenheit

Das „Hirscheneck“ an der Ecke Lindenberg-Riehentorstrasse (Foto:mozaik)

Das Hirscheneck feiert seine 45 Jahre und startet mit einem neuen Projekt am Lindenberg 21.

Gestatten, ich bin das Hirscheneck. Manche nennen mich bei meinen Spitznamen liebevoll Hirschi, andere machen einen grossen Bogen um mich und sehen mich als Nest voller Chaoten und Terroristen.

Wenn ich mich jetzt vorstelle, so hat das vielleicht den Effekt, dass ihr Leser:innen ein anderes Bild vermittelt bekommt, als das, welches von mir gezeichnet wird. In mir wohnen neben der Beiz und dem Konzertkeller noch viele andere Projekte und Menschen. Neben zwei Kunstateliers und vier Mietwohnungen habe ich auch die Büros vom altehrwürdigen «Neuen Kino» und der «habs queer basel»  bei mir beherbergt.

Ja, ich bin links, mitunter auch linksradikal. Ich habe eine Haltung, die ich auch gerne mit der Aussenwelt und unseren Gästen teile. Ich will die Welt zu einem Besseren verändern. Meine Bewohner:innen sind Träumer:innen, Idealist:innen, Alte und Junge, Suchende, Liebende, Traurige  und Fröhliche. Viele wollen ein selbstbestimmtes Leben, frei von Zwängen und einen verantwortungsvollen Umgang mit allen Menschen. Mitunter wollen sie auch die Welt retten.

Manche lachen oder finden das unrealistisch, doch es ist ein überaus altes Konzept, das diese Menschen in sich tragen – euch allen bekannt unter dem Wort Solidarität, eines meiner Lieblingswörter.

Derzeit mache ich mir grosse Sorgen um die Erde, auf der wir leben. Überall fahren die zumeist alten Männer ihren Egotrip und gehen über Leichen, hinterlassen Trümmerfelder und Wüsten, in denen kein Mensch mehr leben kann, zwingen Millionen zur Flucht, die dann an unseren Aussengrenzen ertrinken, inhaftiert oder zurückgeschickt werden. 

Blick in die Gaststube des „hirscheneck“. (Foto: Hirscheneck)

Ein Zustand, der nur darauf zurückzuführen ist, dass Einige viel und Viele nichts von dieser Welt zu erwarten haben, weil ihnen alles weggenommen wird. Ich nenne das Kapitalismus. Ups! Was für ein böses Schlagwort.

Ich bin ja jetzt schon sehr alt und habe viel erlebt, doch finde ich es beängstigend, wie mit euren Ängsten und Gefühlen gespielt wird. Es wird Misstrauen gesät, wo es wichtig wäre, Vertrauen aufzubauen.

Rassismus, Nationalismus und Kriegsgeschrei sind wieder allgegenwärtig. Ihr habt keine Antwort darauf, obwohl so viel Erfahrung in euch innewohnt. «Auf tausend Kriege kommen keine zehn Revolutionen. So schwer ist der aufrechte Gang.» (Ernst Bloch)

Ihr wisst, was falsch läuft, doch fühlt ihr euch alleine. Was ihr bräuchtet, wären Verbündete, die mit euch diesem Wahnsinn etwas entgegensetzen. Ich kann euch den Raum dafür bieten. Euch treffen, Halt geben und miteinander reden müsst ihr selbst.

Dass ich als Hirschi mich immer so verstanden habe, hat mit den Menschen zu tun, die mir diesen Charakter geben, die mich als Haus beseelen. Denn eigentlich bin ich nur eine leere Hülle. 

Diese Menschen treffen sich regelmässig und überlegen sich, mit welchen Inhalten sie mich füllen sollen, wie ich mich kleiden soll, wann ich die Zähne zeige oder still vor mich hin schlummere. 

In der Küche werden für euch leckere Speisen angerichtet, und der Service bringt euch Getränke und Essen an den Tisch. 

Ich habe schon allerhand erlebt – vom wilden Fest bis zum aufrüttelnden Theaterstück, von Lesungen zum Punkrock-Konzert, vom Tangoabend bis zur Kunstausstellung. Es war immer schön, manchmal dreckig. Anschliessend wurde ich wieder herausgeputzt und fühlte mich von allen wertgeschätzt. Es ist die Leidenschaft, die ich aufsauge wie ein Schwamm und die mich am Leben erhält. Dafür danke ich allen.

Nun habe ich mit dem Haus 21, der ehemaligen Gassenküche, eine Freundin bekommen. Und das Schöne ist, wir haben uns auf Anhieb verstanden. Sie wusste sofort mit dem Begriff Solidarität etwas anzufangen. Glücklich, nicht dem Spekulantentum zum Opfer gefallen zu sein, was ja derzeit vielen Häusern der Stadt widerfährt, kann sie nun weiterhin ihr Dach über die Gross-WG in den oberen zwei Stockwerken spannen und unten im Keller sowie auf den anderen zwei Ebenen dem nachgehen, was sie am liebsten tut: Menschen zum verweilen einladen, ihren Gesprächen lauschen, den Duft von Frischgebackenem einsaugen und den Menschen aus dem Quartier, die Wärme, Halt und Solidarität brauchen, eine warme Stube sein. 

Ich freue mich wahnsinnig, das neue Haus an meiner Seite zu haben, um gemeinsam neues zu schaffen. 

Für alle nun neugierig gewordenen: ich freue mich immer über Besuch – ob neue oder altbekannte Gesichter – ihr seid herzlich willkommen!

Euer Hirschi

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