St. Nikolaus – unterwegs im Dreiland

Zwei Nikoläuse in Steinach im Schwarzwald mit Klausenbigger und Pelzmärtel. (Foto Dieter Wissig)

Die ursprüngliche Gestalt des wohltätigen Bischofs von Myra (Türkei) hat sich im Lauf der Zeit vielfach gewandelt bis zur Coca Cola-Reklamefigur. Wo kann man ihm begegnen?

Wer war St. Nikolaus – was ist aus ihm geworden? Millionenfach ist sein Bild im Lauf der Jahrhunderte dargestellt worden, und zu den absurdesten Formen hat es sich verselbstständigt. Die Figur mit weissem Bart im roten Mantel als Werbesignet, womöglich auf einem mächtigen, von Rentieren gezogenen Schlitten, ist ein Produkt unserer Konsumgesellschaft. Trotzdem ruft der Santiklaus, wie er in Basel heisst, viele Erinnerungen aus der Kinderzeit wach – sein Urbild als Wohltäter ist nie ganz verblasst. 

Verwirrend ist der geschichtliche Hintergrund des Nikolauskults. Die Legende geht auf zwei Personen zurück: den Bischof Nikolaus von Myra aus dem 4. Jahrhundert und einem gleichnamigen Abt von Sion, der am 10. Dezember 564 ebenfalls in Lykien starb. Aus beiden ist schliesslich die grosse Heiligengestalt des Wundertäters erwachsen, der im 6. Jahrhundert in der griechischen Überlieferung auftaucht. Unzählige Versionen der Legende entstanden im Hochmittelalter, z. B. der Bericht der Beschenkung dreier Jungfrauen mit Gold, das sie vor der Prostitution bewahrte oder die Rettung von Schiffbrüchigen aus einem Seesturm, die ihn zum Beschützer der Seeleute erhob. So ist der Heilige auch Patron von Amsterdam und New York. Im Hochmittelalter entstand die Geschichte von der Errettung dreier Schüler, die von einem Wirt ermordet worden waren. Den Bischof mit den drei Buben im Pökelfass findet man u. a. auf dem Hauptfenster im Münster von Freiburg i. Br. 

Rund fünftausend Kirchen und Kapellen waren dem verehrten Heiligen im mittelalterlichen Europa geweiht. In Basel gab es eine Kapelle im Münster und ein Kirchlein in der Rheingasse beim Kleinbasler Richthaus (heute Café Spitz). In der Peterskirche kann man noch heute im Gewölbe ein Wandbild des Heiligen bewundern, das aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts stammt, und in Oltingen im Baselbiet ist die Legende ebenfalls in alten Fresken dargestellt. Eine Reihe von Nikolauskirchen ist zudem in der badischen Nachbarschaft und im Elsass zu finden. 

Die Begleiter: Schmutzli, Ruprecht und Père Fouettard

Verwirrend ist der Formenreichtum der Volksbräuche um den Heiligen. Als Gabenbringer kommt er zu den Kindern oder lässt unsichtbar Geschenke, aber auch Ruten zurück. An vielen Orten der Schweiz gibt es Lichter-, Lärm- und Heische-Umzüge, vom Klausjagen in Küssnacht bis zu den Silvesterbräuchen im Appenzell. Fast immer steht Sankt Nikolaus in Beziehung zu unheimlichen Gestalten, wahrscheinlich Überbleibsel aus vorchristlichem Brauchtum. Schmutzli heisst der Begleiter mit dem schwarzen Kapuzenmantel in Basel, Ruprecht, Rupelz und viele andere Namen hat er in Deutschland. Im Schwarzwald gehört in Steinach auch der Klausenbigger und der Pelzmärtel dazu, siehe Bild. Hans Trapp oder Père Fouettard heisst der düstere Begleiter im Elsass. Trotz des Schrecks faszinieren diese Urgestalten die Kinder noch heute. 

In ganz Europa kennt man die Teigmännchen, die der Niggi-Näggi mitbringt. Sie sind meist aus Weggenteig, manchmal aus Brotteig geformt unter Zusatz von Butter, Milch und Zucker. Augen und Mantelknöpfe sind aus Rosinen markiert, auch Pfeife und Rute gehören dazu. In Deutschland bringt St. Nikolaus im Rheinland den «Piepenkerl» (Pfeifenkerl) oder «Klaskerl» mit, in Schwaben ist es der «Hanselmann», in Mittelbaden der «Dampedey» und im nahen Markgräflerland heisst er «Grättimaa» wie in Basel. In Breisach gibt es dafür «Baselmänner». Sie alle sind möglicherweise Überbleibsel aus alten Vegetations- und Totenkulten. In Norwegen gibt es ein Gesetz aus dem 13. Jahrhundert, das damals jeden für vogelfrei erklärte, der in seinem Haus Speiseopfer in männlicher Gestalt aufbewahrte. Im Elsass sind die «Mannala» klein und niedlich, man kauft sie gleich dutzendweise.

Wo man St. Nikolaus persönlich begegnet

Am Samstag, 2. Dezember gibt es in Ferrette den traditionellen Klausmärt. Saint-Nicolas mit seinem Père Fouettard erscheint meist am Nachmittag. 

In Liestal sieht man ihn am 6. Dezember beim Einnachten mit einer Horde von Kindern unter vielfachem Glockengedröhn beim Santichlaus-Ylüte abends durchs «Stedtli» ziehen. 

In Lörrach findet man Sankt Nikolaus am 6. Dezember um 16 Uhr im Hebelpark.

In Basel gibt es die spektakuläre Fahrt durch die Altstadt der «Harley-Niggi-Näggi» auf ihren pompös dekorierten Motorrädern am Samstag, 9. Dezember nach 17 Uhr. 

Edith Schweizer-Völker