Grüne Superblocks sind eine Möglichkeit, die Quartiere wieder lebenswerter zu machen und uns Bewegungsfreiheit zurückzugeben.
Von Björn Slavik. Der Ökonom lebt im St. Johann und setzt sich für Grüne Superblocks in Basel ein.

Seit rund 70 Jahren prägt ein Versprechen unser Mobilitätsverständnis: das Auto als Symbol individueller Freiheit. Wer ein Auto besitzt, kann jederzeit losfahren, unabhängig sein, Orte erreichen, die anderen verschlossen bleiben – so die Erzählung. Doch dieses Märchen ist eine Lüge, denn sehr häufig ist schon nach dem ersten Autobahnknotenpunkt Schluss mit der freien Fahrt. Nicht nur angesichts der negativen Folgen für die Umwelt, steigender Energiekosten und gesundheitlicher Belastungen, sondern auch, weil sich zeigt: Je mehr Raum wir dem Auto geben, desto weniger Freiheit bleibt für uns alle. Das sogenannte Mobilitätsparadox offenbart, dass der Traum von der automobilen Freiheit in Wahrheit oft zur kollektiven Unfreiheit führt.
Das Mobilitätsparadox: Wenn mehr Strassen zu weniger Bewegungsfreiheit führen
Das Mobilitätsparadox beschreibt ein scheinbar widersprüchliches Phänomen: Der Ausbau der Strasseninfrastruktur mit dem Ziel, Staus zu verringern und Mobilität zu fördern, führt langfristig zu mehr Verkehr, mehr Stau – und letztlich zu weniger Bewegungsfreiheit. Ein neues Strassenstück kann die Gesamtreisezeiten aller Beteiligten erhöhen. Denn alle wählen die vermeintlich schnellste Route, die am Ende überlastet ist.
Viele sind aufs Auto angewiesen!
ACS-Geschäftsführer und Grossrat Daniel Seiler bricht eine Lanze fürs Auto.
Im Raum Basel ist dieses Paradox besonders spürbar. Der Autoverkehr im urbanen Zentrum wie auch in den Agglomerationen nimmt seit Jahren zu – trotz teurer Strassenprojekte und Tunnelbauten. Das Resultat: Pendler:innen stehen im Stau, Kinder können sich im Quartier nicht sicher bewegen, und lärmgeplagte Anwohner:innen verlieren an Lebensqualität. Die individuelle Freiheit, mit dem Auto schnell von A nach B zu kommen, existiert faktisch kaum noch. Gleichzeitig verlieren wir die kollektive Freiheit, uns sicher, gesund und umweltverträglich fortzubewegen.
Die Folgen der autozentrierten Stadt
Die Dominanz des Autos hat unsere Städte und ländlichen Räume tiefgreifend verändert:
- Zersiedelung und Flächenverbrauch: Neue Strassen beanspruchen wertvolle Flächen, die für Natur oder Erholung verloren gehen.
- Luft- und Lärmbelastung: Der motorisierte Verkehr verursacht gesundheitsschädlichen Lärm und Feinstaub.
- Unsicherheit im Strassenraum: Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Einschränkungen fühlen sich zunehmend gefährdet.
- Soziale Ungleichheit: Wer kein Auto hat, ist oft von Teilhabe ausgeschlossen – besonders in schlecht angebundenen Vororten.
Der öffentliche Raum wird so gestaltet, dass die Mehrheit der Fläche, ungefähr 50 bis 60 Prozent, wenigen zugutekommt – jenen, die am Steuer sitzen, obwohl in Basel z. B. nur noch 18 Prozent der Menschen das Auto benutzen.
Die menschenzentrierte Stadt als echte Alternative
Dabei geht es auch anders. Städte wie Paris, Oslo, Kopenhagen oder Utrecht zeigen, wie eine menschenzentrierte Mobilität echte Lebensqualität schafft. Im Zentrum stehen Nähe, Sicherheit und Umweltverträglichkeit. Ermöglicht durch eine andere Stadtplanung.
Ein wirksames Instrument sind Superblocks wie in Barcelona: Mehrere Wohnblöcke werden verkehrsberuhigt, Autos müssen aussen herumfahren. Innerhalb des Blocks haben Menschen Vorrang, es entsteht Raum für Begegnung, Grünflächen und Ruhe.
Auch in Basel gibt es Initiativen wie die Grünen Superblocks, die unsere Quartiere wieder zu lebenswerten Orten machen wollen – mit weniger Durchgangsverkehr und mehr Platz für alle. Es geht nicht um ein Auto-Verbot, sondern um kluge Prioritäten: öffentliche Verkehrsmittel, Velos, Zu-Fuss-Gehen und kurze Wege.
Die Vorteile der menschenzentrierten Stadt
Eine solche Stadt bringt viele Vorteile:
- Mehr Sicherheit für alle im Strassenraum.
- Weniger Abhängigkeit von fossilen Energien.
- Gesündere Lebensweise durch Bewegung, bessere Luft und weniger Lärm.
- Klimaschutz durch emissionsarme Mobilität und geringeren Ressourcenverbrauch.
- Lokale Wirtschaftsförderung durch lebendige Quartiere.
- Soziale Gerechtigkeit durch bezahlbare, barrierefreie Mobilität.
Ein Paradigmenwechsel ist möglich – und notwendig
Es ist Zeit, das Märchen von der automobilen Freiheit zu entzaubern. Der Weg zu einer gesunden, lebenswerten und zukunftsfähigen Region Basel führt nicht über noch mehr Strassen und Parkplätze. Er führt über einen Perspektivwechsel – hin zu einer Stadt, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Die gute Nachricht: Der Wandel hat bereits begonnen. Es liegt an uns, ihn mutig weiterzugestalten – im Alltag, in der Politik, in der Stadtplanung. Denn wahre Freiheit beginnt dort, wo wir uns sicher, gesund und verbunden fühlen – in einer Stadt für Menschen.