Die Basler Regierung setzt auf die Entwicklung neuer attraktiver Stadtteile mit Wohnungsmix. Wer kann sich ihre «Stadt der Zukunft» noch leisten?
Impulse
Die Impulse und prioritären Stadtentwicklungsschwerpunkte wurden mit den nationalen Richtplänen und Entwicklungsprogrammen der Kantone im Jahr 2019 mitten im Lockdown an den Bund eingereicht. Damit wurde dem vom Volk angenommenen revidierten Raumplanungsgesetz (RPG) von 2014 entsprochen. Der Souverän hatte den Bund beauftragt, in den Landschaften die Zersiedelung zu bremsen und die Verdichtung in den Städte-Agglomerationen zu fördern. Und er soll sich mit den Kantonen über die Entwicklungsschritte abstimmen.
Basler Entwicklungsstrategie 2030
Basel soll zum Kern einer Metropolitanregion werden, erschlossen mit einem grenzüberschreitenden S-Bahnsystem mit Durchmesserlinien. Riesige Projekte sollen in den nächsten Jahren umgesetzt werden:
– Erweiterungsprojekte trinationales S-Bahn-System STEP AS 2035 (S-Bahn-Haltestellen Solitude, EuroAirport); untertags S-Bahnhöfe (Marktplatz, Schifflände, Klybeckplatz)
– Hafeninfrastruktur Gateway Nord (Hafenbecken 3, Kleinhüningen)
– trimodales Umschlagsterminal (Schiff-Schiene-Strasse)
– Autobahn A2 / ASTRA (Unterhalt Ost-Tangente, Verzweigung Hagnau, Rheintunnel)
– urbane Stadt-Erneuerung (Dreispitz, Lysbüchel)
– neue Stadtquartiere Klybeckplus, Klybeckquai (Klybeck), Westquai (Kleinhüningen)
– urbane Stadt-Erneuerung Basel Wolf/Container-Terminal SBB
– Freizeitpark Klybeck (Ersatzfläche Dreirosenanlage während Bauarbeiten Rheintunnel)
– Entlastung Tram- und Bus-Achse Barfüsserplatz-Claraplatz
Enorme Mietzinssteigerungen
Die Stadt selber soll schnell wachsen, mehr Arbeitsplätze generieren und mehr Steuereinnahmen sichern. Urbane Stadtteile mit attraktiven Kultur- und Freizeit-Angeboten sollen neue Zuzüger:innen und Firmen anziehen. Die Stadtplaner:innen setzen auf einen Mix von Gewerbe-Erdgeschossen, Loft-Büros und Eigentumswohnungen für Gutverdienende mit einem Anteil neuer Genossenschaftsbauten. Damit soll die Abwanderung der ansässigen Mieter:innen gestoppt werden.
Gemäss Mietpreisindex haben sich die Mietpreise im Kanton Basel-Stadt in den letzten 20 Jahren um über 25 Prozent verteuert. Ein Ende ist nicht abzusehen. Besonders die Jungfamilien und verwitweten Rentnerinnen in Mietwohnungen sind stark gefährdet, durch weitere Verteuerungen der Lebenshaltungskosten für Wohnung und Nebenkosten sich ihre Heimat nicht mehr leisten zu können.
Recht auf Wohnen
Mit der Annahme der Initiative «Recht auf Wohnen» kommt es im Jahr 2020 zu einer unerwarteten Wende in der städtischen Wohnpolitik: In der Kantonsverfassung wird ergänzt, «dass der Kanton Massnahmen trifft, damit Personen, die in Basel-Stadt wohnhaft und angemeldet sind, sich einen ihrem Bedarf entsprechenden Wohnraum beschaffen können, dessen Mietzins oder Kosten ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigt».
Trotz den kantonalen Massnahmen sind bis heute weder spürbare Entlastungen noch substanzielle Verbesserungen eingetreten. Offensichtlich werden die Massnahmen von der Regierung nur sehr zurückhaltend und ohne grosses Engagement umgesetzt.
Zuwenig zahlbare Wohnungen
Seit fünf Jahren zeigt sich im Stadt-Kanton dasselbe Bild: Vor allem 4-Zimmer-Wohnungen für Familien im günstigen Segment bis 2000 Franken sind Mangelware. Eigentlich sollte es in der reichen Schweiz für eine Familie mit Kind in einer Grossstadt wie Basel, Zürich oder Genf möglich sein, eine 3 oder 4-Zimmer-Mietwohnung mit dem Einkommen eines Elternteils oder mit geteiltem Pensum beider Elternteile finanzieren zu können.
Wanderungssaldo
Trotz den enormen Bauinvestitionen in den Jahren 2010 bis 2017 ist die grösste Stadt der Nordwestschweiz nicht übermässig stark gewachsen. Gemäss dem statistischen Amt beträgt der Wanderungssaldo im Jahr 2022 rund 15’800 Zuzüge und 13’080 Wegzüge. Der Zuzugsüberschuss (2720 Personen) ist hauptsächlich auf die kriegsbedingte Aufnahme von Flüchtlingen der Ukraine (1750 Personen) zurückzuführen.
Stadtflucht
Der Kanton überlässt günstige und sanierbare Wohnbauten dem Immobilienmarkt, statt diese selbst zu übernehmen oder eigene zu unterhalten. Diese Strategie ging bereits in den 80er- und 90er-Jahren nicht auf. Sie könnte erneut zu einem Abwanderungsüberschuss in den Quartieren mit den grossen Transformationsprojekten führen und die Mietzins-Spirale weiter ansteigen lassen.
Es gibt viele Gründe für die Stadtflucht. Angehörige der Mittelschicht und Vermögende ziehen aufs Land, mieten, bauen oder kaufen sich ein Haus, um sich vor dem zehnjährigen Baulärm in den neuen und angrenzenden Quartieren frühzeitig zu verabschieden. Jungfamilien, Teilzeitbeschäftigte und weniger solvente Verdiener:innen in den bis anhin günstigen Wohnungen hingegen werden durch die neuen Zuzüger:innen ersetzt und verdrängt, mitsamt den günstigen Wohnungen, die der «Stadt der Zukunft» längerfristig nur im Weg sind.
Gelingt es, bis 2030 die geplanten 15’000 Zuzüger:innen in die Entwicklungsgebiete der Basler Quartiere unterzubringen? Das wird wohl auch davon abhängen, ob die Politik dafür sorgt, gleichzeitig einen bedürfnisgerechten Anteil an zahlbaren Mietwohnungen bereitzustellen und griffigere Massnahmen zum Schutz von spekulativen Mietpreiserhöhungen in den Quartieren zu beschliessen.
Es wird Zeit, Verantwortung zu übernehmen, die Abwanderung von Familienhaushalten und weniger qualifizierten Arbeitnehmenden im Wahljahr 2023 «in den Griff» zu bekommen.
Andy Kost
Ergänzende Informationen
Richtplan des Kantons Basel-Stadt www.richtplan.bs.ch/
Basel Legislaturplan 2021-2025 https://www.bs.ch/publikationen/regierungsrat/rr-legislaturplan.html
Schlüsselprojekte im Bau- und Verkehrsdepartement https://www.bvd.bs.ch/schwerpunkte.html
Bevölkerungsszenarien, Statistisches Amt Basel-Stadt, Link: https://www.statistik.bs.ch/zahlen/tabellen/1-bevoelkerung/szenarien.html
Entwicklung S-Bahn Basel https://www.trireno.org/
ASTRA: Baustellen und Projekte Nordwestschweiz https://www.astra.admin.ch/astra/de/home/themen/nationalstrassen/baustellen/zentral-nordwestschweiz.html
Rheintunnel www.rheintunnel.ch
Mietpreise Basel-Stadt https://www.statistik.bs.ch/zahlen/tabellen/9-bau-wohnungswesen/mietpreise.html
Repräsentative Armutsstudie, Pro Senectute Schweiz
www.prosenectute.ch/altersmonitor